Taiwan
(Formosa), amtlich Ta Chung-Hua Min-Kuo, Republik China, Staat in
Ostasien. Taiwan ist vom chinesischen Festland durch die Formosastraße
abgetrennt und wird im Norden vom Ostchinesischen Meer, im Osten
vom Pazifischen Ozean und im Süden vom Südchinesischen
Meer begrenzt. Neben der Insel Taiwan gehören auch die Pescadores-Inseln,
die kleinen Quemoy-Inseln vor der Stadt Xiamen auf dem Festland
und die Matsu-Inselgruppe vor Fuzhou zum Staat Taiwan. Die Volksrepublik
China kämpft seit Gründung der Republik China um den Inselstaat,
den sie nach wie vor nicht als selbständige Republik anerkennt.
Das Gebiet von Taiwan umfasst 36000 Quadratkilometer. Hauptstadt
und größte Stadt ist Taipeh.
Beinahe die gesamten 360Kilometer Länge der Insel werden von
einem hohen, bewaldeten Gebirge durchzogen, dessen höchste
Erhebung Yü Shan 3997Meter über dem Meeresspiegel erreicht.
Im Osten dieser zentralen Gebirgskette ist das Land hügelig
und von Klippen begrenzt, die sich jäh vom Ozean bis zu einer
Höhe von 760Metern erheben. Im Westen fällt eine fruchtbare
Ebene sanft in die enge Formosastraße ab. Mit Ausnahme dieser
Ebene ist Taiwan im Durchschnitt 1220Meter hoch.
Flüsse und
Seen
Alle Flüsse entspringen im Gebirge und weisen meist einen kurzen,
steilen Flusslauf auf. Die längsten Flüsse sind der Choshui,
Kao-p'ing Hsi, Tsengwen und Tanshui. Letzterer ist der einzige schiffbare
Fluss der Insel.
Taiwans Klima ist im Süden tropisch, im übrigen Land subtropisch.
Es steht unter Monsuneinfluss. Die durchschnittlichen Temperaturen
liegen im Sommer bei 28°C, im Januar bei 18°C. Zwischen
Juni und Oktober kommt es häufig zu Taifunen. Die durchschnittliche
Niederschlagsmenge beträgt 2540Millimeter im Jahr.
In Taiwan gedeihen etwa 3800 Pflanzenarten. In den niedrigen Regionen
bis zu einer Höhe von 1980Metern überwiegen tropische
und subtropische Wälder. Nadelbäume und Koniferen wachsen
in den Gebieten zwischen 1980 und 3050Metern. Oberhalb dieser Grenze
sind ausschließlich Koniferenwälder anzutreffen.
Die üppige Fauna enthält etwa 60 verschiedene Säugetierarten,
darunter Eichhörnchen, Wild, Wildschweine und den taiwanesischen
Schwarzbären. Auf der Insel sind auch zahlreiche Vogelarten,
Reptilien, Amphibien und Insekten heimisch.
Die Bevölkerung besteht aus drei Hauptgruppen: Die Taiwanesen
stellen etwa 84Prozent und stammen von Chinesen ab, die im 18. und
19.Jahrhundert aus den Provinzen Fujian und Guangdong auswanderten.
Die Chinesen (etwa 14Prozent) kamen nach dem 2.Weltkrieg (1939-1945)
auf die Insel. Die Nachfahren der Ureinwohner machen 2Prozent aus.
Sie sind wahrscheinlich mit den Einwohnern der Philippinen oder
Indonesiens verwandt. Die traditionelle Gesellschaft war von der
Landwirtschaft geprägt, in der aber Ende der achtziger Jahre
nur noch 15Prozent der Arbeitskräfte tätig waren.
Taiwan hat etwa 21,2Millionen Einwohner, was einer durchschnittlichen
Bevölkerungsdichte von 588Personen pro Quadratkilometer entspricht.
Die große Mehrheit lebt in der Küstenebene auf der Westseite
der Insel. Etwa 70Prozent der Bevölkerung wohnen in Städten
und Dörfern.
Taipeh weist eine Einwohnerzahl von etwa 2,7Millionen auf. Kaohsiung
ist mit 1,4Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt
mit einem wichtigen Hafen und einem Industriezentrum an der Südwestküste,
Taichung (790000Einwohner) ist Zentrum für Industrie und Kultur
im Westen. Tainan (690000Einwohner) ist ein wichtiges Zentrum für
Handel und Kultur im Südwesten.
Offizielle Landessprache ist Mandarin, ein chinesischer Dialekt.
Die Nachfahren der Ureinwohner sprechen Sprachen, die der austronesischen
Sprachfamilie angehören.
Ein Großteil der Bevölkerung praktiziert eine Mischung
aus Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus. Etwa fünf Prozent
sind Christen, die meisten davon römisch-katholischer Konfession.
Die Muslime machen ein knappes Prozent aus.
Die Regierung der Republik China fördert die Sozialfürsorge
durch mehrere Programme. Ein Gesundheits- und Altersprogramm sorgt
für die Arbeiter in der Privatindustrie. Die Angestellten im
öffentlichen Dienst sind durch ein ähnliches Versicherungssystem
abgedeckt.
Bildung und Kultur
In Taiwan sind heute noch viele alte chinesische Bräuche und
Feste lebendig. Die Familie ist die wichtigste soziale Einheit und
die Ahnenverehrung ein zentraler Brauch. Zu den alten Festen zählen
das Drachenbootfest, das Herbstmittefest und das Laternenfest.
Das Erziehungssystem basiert auf der Verfassung von 1947. Es versucht
die Lehren von Sun Yatsen, dem Gründer der Republik China,
zu vermitteln. Mehr als 90Prozent der Bevölkerung sind über
15Jahre alt und können lesen und schreiben. Der Schulbesuch
ist kostenlos und für alle Kinder zwischen sechs und 15Jahren
Pflicht. Zu den wichtigsten Hochschulen zählen die Universität
National Taiwan (1928) und die Universität Soochow (1900) in
Taipeh, die Universität National Cheng Kung (1931) in Tainan,
die Universität National Chunghsing (1961) in Taichung und
die Universität National Central (1968) in Chungli.
Taiwan besitzt einige beachtenswerte Bibliotheken und Museen. Zu
den größten Bibliotheken gehören die Nationale Zentralbibliothek
und die Taiwanesische Filialbibliothek in Taipeh. Im ganzen Land
gibt es weitere 15 öffentliche Bibliotheken.
Die wichtigsten Museen liegen in Taipeh: das Hwa Kang Museum, mit
Sammlungen zur Volkskunst und zur modernen chinesischen Kunst, das
nationale Palastmuseum mit Ausstellungen von Schätzen des Festlandes,
das Nationalmuseum für Geschichte und das Taiwanesische Provinzmuseum,
das Sammlungen der örtlichen Kulturen enthält.
Kunst und Musik
Siehe chinesische Kunst und Architektur; chinesische Literatur;
chinesische Musik.
In Taiwan erscheinen 31Tageszeitungen und viele Zeitschriften. Zu
den führenden Tageszeitungen zählen Central Daily News,
China Times und United Daily News, die alle in Taipeh herausgegeben
werden, sowie Taiwan Shin Wen Daily News, in Kaohsiung publiziert,
und Taiwan Daily News in Taichung.
Taiwan, das Zentrum der Republik China, hat ein kombiniertes Präsidial-
und Kabinettsystem. Das Land wird nach der Verfassung von 1947 regiert,
die in den Folgejahren wesentlich verändert wurde. Sie beruht
auf dem Prinzip der Gewaltenteilung.
Exekutive
Das wichtigste Exekutivorgan ist der Präsident, der von der
Nationalversammlung für sechs Jahre gewählt wird. Der
Präsident ist Staatsoberhaupt. Er wird von einem Exekutivrat
unterstützt, dem der Ministerpräsident voransteht.
Legislative
Das gesetzgebende Organ ist die Nationalversammlung mit 334Abgeordneten.
Diese wählen den Präsidenten des Landes und sind für
Fragen der Verfassungsänderung zuständig. Das Parlament
bestand einst aus 900Mitgliedern, deren Sitze aber 1991 abgeschafft
wurden. Damals wurden 325 neue Mitglieder gewählt und 78 amtsführende
Mitglieder übernommen, die bereits 1986 gewählt worden
waren.
Judikative
Die höchste Gerichtsbarkeit ist der Juristische Rat. Er steht
über dem Obersten Gerichtshof, den Landesgerichten, den Verwaltungs-
und Bezirksgerichten und anderen Tribunalen. Der Kontrollrat hat
halbjuristische Funktion: Er steuert die Aktivitäten der Regierungsbüros
im Land und verfügt gleichzeitig über die Kompetenz, Amtsvergehen
zu verhandeln.
Kommunalverwaltung
Taiwan ist in 16Landkreise (hsien), fünf Stadtkreise und zwei
Sondergemeinden (die Hauptstadt Taipeh und Kaohsiung) unterteilt.
Jeder Landkreis ist wiederum aufgegliedert in Verwaltungsbezirke
(chen), Landbezirke oder Dorfzusammenschlüsse (hsiang) und
Areale.
Taiwan ist gleichzeitig selbständige Republik und chinesische
Provinz. Als solche verfügt das Land über einen Gouverneur,
den Vorsitzenden des Provinzrates und der Provinzversammlung. Der
Gouverneur wird vom Präsidenten der Republik China ins Amt
berufen. Die Mitglieder der Provinzversammlung werden alle vier
Jahre vom Volk gewählt.
Politik
Führende Partei ist die Kuomintang mit etwa 2,4Millionen Mitgliedern.
Bis 1989 war die Kuomintang die einzige legale politische Partei.
Seit dieser Zeit sind auch andere Parteien wie die Neue Nationalistische
Allianzpartei, die Chinesische Demokratisch-Sozialistische Partei
und die Demokratisch Progressive Partei entstanden.
Verteidigung
Die Männer sind in der Republik China zu einem Militärdienst
von zwei Jahren verpflichtet. Das Militär hat eine Stärke
von etwa 400000Soldaten. Die Streitkräfte sind mit modernsten
Waffen, Flugzeugen und Schiffen ausgestattet.
Die
Regierung von Taiwan hat ein aggressives Industrialisierungsprogramm
durchgeführt. In den achtziger Jahren hatte sich der Produktionssektor
zum führenden Wirtschaftszweig entwickelt. Anfang der neunziger
Jahre ging das Wirtschaftswachstum leicht zurück. 1991 führte
Taiwan ein über sechs Jahre angelegtes, 300-Milliarden-US-Dollar-Programm
zur Beschäftigung im öffentlichen Sektor ein. Etwa 15Prozent
der Erwerbstätigen sind in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft
und im Fischfang beschäftigt, 35Prozent im Bergbau und in der
Industrie, 18Prozent im Handel. In Taiwan gibt es etwa 2800 gewerkschaftliche
Verbände mit 2,1Millionen Mitgliedern. Die führende Arbeiterorganisation
ist die Chinesische Föderation der Arbeit.
Landwirtschaft
Die wichtigsten landwirtschaftlichen Unternehmen liegen in der fruchtbaren
Ebene des Westens. Etwa 25Prozent der Gesamtfläche des Landes
sind für den Anbau von Ernteerzeugnissen geeignet. Wichtigstes
Erzeugnis ist Reis. Außerdem werden Süßkartoffeln,
Maniok, Spargel, Pilze, Sojabohnen, Erdnüsse, Tee, Bananen,
Ananas, Zitrusfrüchte und Zuckerrohr angebaut. In der Viehwirtschaft
werden Rinder und Büffel gezüchtet, die überwiegend
als Zugtiere verwendet werden, sowie Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner
und Enten.
Forstwirtschaft
und Fischfang
Etwa 55Prozent der Landfläche sind bewaldet, aber die Holzproduktion
deckt nicht einmal den eigenen Bedarf. Zu den wichtigsten Hölzern
zählen Eiche, Zeder, Schierlingstanne, Bambus und Rattan. Der
Fischfang wird zu 80Prozent aus der Hochseefischerei bestritten.
Der Rest setzt sich aus Fängen der Küstenfischerei und
aus der Produktion in Fischteichen zusammen. Zu den führenden
Arten zählen Makrelen und Thunfisch.
Bergbau
Die ergiebigen Kohleminen befinden sich in der Nähe der Nordküste.
Bescheidene Anteile von Marmor, Petroleum, Erdgas, Salz, Kupfer,
Silber, Gold und Talk werden ebenfalls gewonnen.
Industrie
Taiwan ist vor allem wegen der Produktion elektrischer und elektronischer
Geräte bekannt. Zu den wichtigsten Produktionsgütern zählen
Radios, Fernsehgeräte, Videorekorder, Taschenrechner, Computer
sowie Zement und Rohstahl. Weitere wichtige Produkte sind Chemikalien,
raffiniertes Rohöl, Textilien und Bekleidung, Kunststoff- und
Tabakwaren, Nahrungsmittel und Getränke sowie Papier.
Währung und
Außenhandel
Die Währungseinheit ist der Neue Taiwan-Dollar zu 100Cents.
Die Zentralbank von China ist die Notenbank. Daneben gibt es in
Taiwan Handelsbanken und Büros ausländischer Banken.
Taiwan zählt zu den führenden Handelsnationen Asiens.
Zu den wichtigsten Exportgütern zählen Textilien und Bekleidung,
elektrische und elektronische Artikel, Kunststoffprodukte, Puppen
und Spielwaren sowie verarbeitete Nahrungsmittel. Die wesentlichen
Importwaren sind Rohöl, Bauholz, Eisen und Stahl, Maschinen,
elektrische und elektronische Produkte sowie Nahrungsmittel. Zu
den größten Handelspartnern gehören die Vereinigten
Staaten, Japan, Deutschland, Hongkong, Australien und Saudi-Arabien.
Das Straßennetz von Taiwan umfasst knapp 20000Kilometer, das
Eisenbahnnetz ist 2500Kilometer lang. Die meisten Eisenbahnlinien
sind in Besitz der Industrie und werden überwiegend zur Verschiffung
der Waren verwendet. Der Personenverkehr über Land wird vor
allem von privaten und öffentlichen Buslinien übernommen.
Die bedeutendsten Seehäfen liegen in Keelung, Hualien, Kaohsiung
und Taichung. Internationale Flughäfen gibt es in Taipeh und
Kaohsiung. Die wichtigste taiwanesische Fluggesellschaft, die China
Air Lines, führt sowohl Flüge im Inland als auch in das
Ausland durch.
Drei Atomkraftwerke übernehmen die Produktion der Hälfte
des Elektrizitätsbedarfs von Taiwan.
Aus chinesischen Aufzeichnungen geht hervor, dass 603 v.Chr. von
China ein Feldzug gegen die Insel Taiwan durchgeführt wurde.
Japanische Gruppen sollen Teile der Insel im 12.Jahrhundert erobert
haben. Ab dem 15.Jahrhundert betrachtete Japan die Ostseite von
Taiwan als eigenes Territorium. Die Portugiesen besuchten 1590 als
erste Europäer Taiwan, was so viel wie terrassenförmige
Bucht bedeutet, und gaben ihr den Namen Formosa („die Schöne").
In der Folgezeit versuchten die Spanier, dauerhafte Siedlungen zu
gründen, wurden aber von den Holländern bedroht, denen
es 1621 gelang, die Pescadores-Inseln zu erobern. Drei Jahre später
hatten sich die Holländer bereits an der Südküste
von Taiwan niedergelassen, wo sie über 37Jahre lang eine Siedlung
aufrecht erhielten.
Chinesische
Besiedlung
Durch die Niederlage der Mandschu gegen die Ming-Dynastie auf dem
chinesischen Festland gelang es den Ming, angeführt durch Piratengeneral
Koxinga oder auch Cheng Ch'eng-kung, die Niederländer von Taiwan
zu vertreiben und einen beträchtlichen Teil der Insel zu besetzen.
Gegen Ende des 17.Jahrhunderts kapitulierten die Abkömmlinge
der Ming auf Taiwan vor den Mandschu, und die Insel wurde ein Teil
des chinesischen Reiches. Danach nahm die Auswanderung der Inselbewohner
auf das chinesische Festland stark zu. Durch den Vertrag von Tientsin
1858, der den siegreichen Französisch-Britischen Krieg gegen
China besiegelte, wurden zwei Häfen an der Ostküste Taiwans
für ausländische Schiffe geöffnet und innerhalb der
nächsten zwei Jahre römisch-katholische sowie protestantische
Missionen auf der Insel errichtet.
Während des Krieges zwischen Frankreich und China in den Jahren
1884/85 riefen die Franzosen eine teilweise Blockade gegen Taiwan
aus und besetzten Keelung auf dem Festland mehrere Monate lang.
Der Vertrag von Shimonoseki 1895 beendete den Sino-Japanischen Krieg
über Korea und verlangte, dass China Taiwan und die Pescadores-Inseln
an Japan abtrat. Die chinesischen Einwohner von Taiwan verweigerten
jedoch die Gefolgschaft. Eine anschließende Rebellion wurde
von den Japanern niedergeschlagen und hatte eine strenge Besatzungszeit
zur Folge, die etwa ein halbes Jahrhundert andauerte und eine kulturelle
Japanisierung nach sich zog. Zu Beginn des 2.Weltkrieges (1939-1945)
dehnten die Japaner ihre Kontrolle über Taiwan weiter aus,
indem sie die Insel zum integrierten Bestandteil des Japanischen
Reiches erhoben.
Nationalistische
Zuflucht
Durch die Niederlage Japans 1945 wurde das Territorium von Taiwan
und den Pescadores-Inseln an China zurückgegeben. Die monopolistische
Haltung der zur Unterdrückung neigenden Regierung führte
zu weit verbreiteten Ressentiments gegen die chinesischen Behörden.
Die Unruhen mündeten im Februar 1947 in einen Aufstand, der
aber schnell niedergeschlagen wurde. Zwei Monate später wurde
Taiwan zu einer Provinz Chinas erklärt.
Am 8.Dezember 1949, nachdem der Großteil des chinesischen
Festlands von der kommunistischen Armee besetzt worden war, richtete
die Nationalregierung von China unter der Führung von General
Chiang Kai-shek ihr Hauptquartier bei Taipeh ein. Die Kommunisten
planten, in Taiwan einzumarschieren, wurden aber von den Vereinigten
Staaten abgehalten, die 1950 Marinetruppen zur Verteidigung der
Insel entsandten. Im April 1951 kündigten die Vereinigten Staaten
die Entsendung von weiterem US-militärischen Personal nach
Taiwan an, um die Streitkräfte der Nationalisten auszubilden.
Chiang Kai-shek wurde im März 1954 erneut zum Präsidenten
der Republik China gewählt. Noch im selben Jahr unterzeichneten
die Nationalisten und die US-Regierung einen gegenseitigen Verteidigungsvertrag,
der den Vereinigten Staaten zubilligte, Strafaktionen gegen das
chinesische Festland durchzuführen, falls das kommunistische
Regime Taiwan oder die Pescadores-Inseln angreift.
Blütezeit
Während dieser Zeit leisteten die Vereinigten Staaten ökonomische
und militärische Hilfe und ermöglichten dem Land damit,
eine intakte Wirtschaft aufzubauen, obwohl es für die militärische
Verteidigung große Ausgaben tätigen musste. Bis Mitte
der sechziger Jahre, als diese Hilfe beendet wurde, waren mehr als
vier Milliarden US-Dollar in die taiwanesische Wirtschaft geflossen.
In dieser Zeit wurde die industrielle Produktion um 300Prozent gesteigert.
Von größerer Bedeutung war jedoch, dass die Insel für
andere asiatische Nationen zu einem Vorbild moderner, wirtschaftlicher
Kraft geworden war, deren Wachstumsrate weit über der anderer
Nationen in Asien lag.
Während der sechziger Jahre kam es zu einigen Änderungen
des internationalen Status von Taiwan und innerhalb der eigenen
Regierung. Die Nationalversammlung wählte Chiang Kai-shek 1960
und 1966 zum dritten und vierten Mal für je sechs Jahre zum
Präsidenten. Im letzten Jahr wurde ein Gesetz verabschiedet,
das seine Kompetenzen ausdehnte. Das Regime erhielt nach wie vor
diplomatische Anerkennung in der ganzen Welt, und der Außenhandel
des Landes boomte. Immer mehr Nationen suchten aber auch Verbindungen
zur Volksrepublik China auf dem Festland. Beispielsweise brach Taiwan
1964 die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich ab, weil dieses
die Volksrepublik China anerkannt hatte.
Veränderte
Beziehungen
Eine radikale Änderung trat zu Beginn der siebziger Jahre in
Taiwan ein. Durch die Entscheidung der US-Regierung, Kontakte mit
der Volksrepublik aufzunehmen, verlor Taiwan seinen Sitz in der
Generalversammlung und im Sicherheitsrat der UNO (1971). US-Präsident
Richard Nixon besuchte 1972 Beijing und eröffnete ein US-Verbindungsbüro
in der Volksrepublik. Im Zuge dieser Entwicklung zogen viele Nationen
ihre diplomatische Anerkennung von Taiwan zurück. Anfang 1979
vertieften die Vereinigten Staaten ihre Beziehungen zur Volksrepublik
und beendeten damit ihre feste Bindung zu Taiwan, obwohl der Handel
und die informelle Kommunikation zwischen beiden Nationen nach wie
vor anhielt. Ein Jahr später, im Januar 1980, wurde der Verteidigungsvertrag
von 1954 annulliert. Bis 1981 unterhielten nur wenige Nationen weiter
diplomatische Beziehungen zu Taiwan, aber der internationale Handel
des Landes schien dadurch nur geringfügigen Schaden genommen
zu haben.
Chiang Kai-shek wurde 1972 zum fünften Mal in seinem Amt als
Präsident bestätigt. Drei Jahre später starb er.
Sein Nachfolger war der Vizepräsident Yen Chia-kan. Chiangs
ältester Sohn, Chiang Ching-kuo, der seit 1972 Premierminister
von Taiwan war, führte sein Amt fort und wurde Vorsitzender
der Partei Kuomintang. Er wurde 1978 zum Präsidenten gewählt
und 1984 erneut im Amt bestätigt.
Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre entwickelte sich
die Wirtschaft von Taiwan zunehmend weiter. Die Handelskontakte
zu Westeuropa wurden verstärkt, und die taiwanesische Regierung
wies die Versöhnungsangebote vonseiten Beijings zurück.
Das Kriegsrecht, seit 1949 in Kraft, wurde im Juli 1987 aufgehoben.
Chiang Ching-kuo starb im Januar 1988. Nachfolger wurde Vizepräsident
Lee Teng-hui, der als erster gebürtiger Taiwanese die Präsidentschaft
erlangte. Die allgemeinen Wahlen 1989 wurden zwar von der Kuomintang
gewonnen, es waren aber erstmalig Oppositionsparteien zu den freien
Wahlen zugelassen. Lee wurde im März 1990 für sechs Jahre
zum Präsidenten gewählt. 1991 entstanden ein Plan zur
Neugestaltung der Regierung und ein langfristiger Drei-Phasen-Plan
zur Wiedervereinigung mit Festland-China. Im April 1993 trafen sich
Abgeordnete der chinesischen und der taiwanesischen Regierungen
in der Republik Singapur. Sie diskutierten über Themen, die
für die Beziehung zwischen beiden Staaten wichtig sind, und
handelten einen Plan für weitere Folgetreffen zwischen beiden
Regierungen aus. Das Treffen in Singapur war der erste Kontakt auf
hoher Ebene zwischen der Volksrepublik China und Taiwan seit 1949.
Im März 1996 führten chinesische Truppen umfangreiche
Manöver und Raketentests vor der taiwanesischen Küste
durch. China versuchte, Taiwan vor der ersten freien Präsidentenwahl
am 23. März einzuschüchtern. Lee Teng-hui gewann die Wahlen
mit 54 Prozent der Stimmen. Bei den gleichzeitig stattfindenden
Wahlen zur Nationalversammlung errang die Kuomintang trotz erheblicher
Stimmenverluste erneut die absolute Mehrheit der Mandate.
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