
Laut chinesischer
Überlieferung stammt das chinesische Volk aus dem Tal des Flusses
Huang He (Gelber Fluss). Die Legende rankt sich um einen Schöpfer
namens P’an Ku, dessen Nachfolger verschiedene himmlische, irdische
und menschliche Herrscher waren. Der archäologische Beweis hierfür
ist dürftig, obwohl Überreste des Homo erectus in der Nähe von
Peking gefunden wurden und diese sich bis zu 460 000 Jahre
zurückdatieren ließen. Reis wird im östlichen China bereits seit
5500 v. Chr. angebaut und etwa fünf Jahrhunderte später entwickelten
sich im Tal des Huang He die ersten landwirtschaftlichen Strukturen.
Auch die Existenz von zwei so genannten Tonkulturen lässt sich
belegen. Die Yang-Shao-Kultur datiert aus der Periode von 3950
bis 1700 v. Chr., und die Lung-Shan-Kultur wird zwischen
2000 und 1850 v. Chr. angesiedelt.
Die
ersten Dynastien
Nach
der Überlieferung war die Hsia (1994-1766 v. Chr.) als erste
chinesische Dynastie, die sich jedoch anhand von archäologischen
Funden nicht nachweisen läßt. Die erste historisch belegte Dynastie
in China war die Dynastie der Shang.
Die
Shang-Dynastie (1766-1050 v. Chr.)
Die
Dynastie der Shang regierte in jenem Gebiet, in dem heute die
nordchinesischen Provinzen Henan, Hubei und Shandong sowie der
nördliche Teil von Anhui liegen. Die Hauptstadt des Reiches lag
in der Zeit um 1384 v. Chr. bei Anyang in der Nähe der nördlichen
Grenze von Henan. Die Ökonomie basierte auf der Landwirtschaft.
Angebaut wurden Hirse, Weizen, Gerste und eventuell auch Reis.
Gezüchtet wurden Seidenraupen, Schweine, Hunde, Schafe und Ochsen.
Die gefundenen Bronzegefäße und Waffen lassen auf ein hohes Niveau
bei der Metallverarbeitung und im handwerklichen Bereich schließen.
Die Shang waren eine aristokratische Gesellschaft. An ihrer Spitze
stand ein König, der über den militärischen Adel bestimmte. Die
Territorialfürsten wurden ebenfalls von ihm berufen und mussten
ihm in militärischen Angelegenheiten Unterstützung bieten. Zwischen
der aristokratischen und gemeinen Gesellschaftsschicht gab es
eine priesterlich-literarische Klasse, welche die Ereignisse in
den Regierungsepochen aufzeichnete und für Prophezeiungen zuständig
war. Die Menschen in der Shang-Dynastie huldigten dem Ahnenkult
und einer Vielzahl von Göttern, dessen Oberhaupt den Namen Shang
Ti, Gott der Höhe, trug.
Der
Niedergang der Shang-Dynastie fällt in der traditionellen chinesischen
Überlieferung eng mit dem Untergang der Hsia zusammen. Der letzte
Shang-Kaiser, ein grausamer und sittenloser Tyrann, wurde vom
mächtigen König Chou gestürzt, welcher in einem Land im Tal des
Flusses Wei herrschte. Das Reich der Chou lag am nordwestlichen
Rand des Gebiets der Shang; ihre Kultur bestand aus einer Mischung
von Wesenselementen aus der Shang-Zivilisation und bestimmten
kriegerischen Traditionen, die für die nichtchinesische Bevölkerung
im Norden und Westen charakteristisch war.
Die
Chou-Dynastie (1050-256 v. Chr.)
Die
chinesische Zivilisation dehnte sich langsam über beinahe den
gesamten Norden Chinas aus, unter der Chou-Dynastie bis in das
Jangtsekiang-Tal. Die Weite der Region und die primitiven Möglichkeiten
der Kommunikation über Land machten es für die Chou unmöglich,
eine direkte Kontrolle über das gesamte Gebiet auszuüben. Deshalb
delegierten sie die Macht an Vasallen, die innerhalb der befestigten
Städte und über die umliegenden Ländereien herrschten. Die hierarchische
Struktur dieser Art Feudalstaaten wurde von einem König angeführt,
der durch die Erbfolge bestimmt wurde. Diesem unterstanden die
ebenfalls durch Erbfolge bestimmte Klasse der Kämpfer und, als
niedrigster sozialer Rang, die Bauern und Haussklaven. Mit der
Zeit erlangten die einzelnen Feudalstaaten immer größere Unabhängigkeit.
Die
Gesellschaft der Chou war um die landwirtschaftliche Produktion
herum organisiert. Das Land wurde in quadratische Abschnitte unterteilt,
die wiederum in jeweils neun kleinere Quadrate aufgeteilt wurden.
Auf diese Weise entstand eine Art gleichförmiges Gitter. Die acht
äußeren Quadrate wurden jeweils acht Bauernfamilien zugewiesen,
die in gemeinsamer Anstrengung auch das mittlere Quadrat bewirtschafteten,
um die herrschende Klasse zu unterhalten. Es ist nicht genau nachvollziehbar,
bis zu welchem Ausmaß diese Art der Landeinteilung vorgenommen
wurde, aber auch spätere Dynastien hielten dieses System für geeignet.
Die religiösen
Praktiken entsprachen der hierarchischen Sozialstruktur. Die Chou
glaubten, dass das Mandat für die Herrschaft aus dem Himmel stamme;
die politische Autorität der Könige war also von ganz oben abgesegnet.
Die Könige der Chou opferten dem Gott der Höhe, heute T’ien („Himmel")
genannt, und ihren Ahnen. Die Fürsten der Feudalstaaten huldigten
der lokalen Natur und den Göttern der Landwirtschaft ebenso wie
den Ahnen. Die einzelnen Familien brachten ihren Vorfahren Opfer.
Wenn die Opfer nicht angenommen wurden, drohten Unglück und Streitigkeiten.
Die
Chou im Osten
Die
Chou-Könige konnten die Kontrolle über ihr Gebiet erhalten, bis
im Jahr 770 v. Chr. einige der Feudalstaaten rebellierten
und sich mit nichtchinesischen Kräften zusammenschlossen, um die
Chou aus ihrer Hauptstadt in der Nähe der heutigen Stadt Xi’an
zu vertreiben. In der Folge errichteten die Chou eine neue Hauptstadt
im Osten bei Loyang. Obwohl sie hier zwar vor den Angriffen der
Barbaren sicherer waren, konnten die Chou im Osten über die Feudalstaaten
keine große politische oder militärische Macht mehr ausüben. Viele
dieser kleinen Staaten übertrafen die Chou bald an Größe und Stärke.
Als Wächter des himmlischen Mandats fuhren die Chou jedoch damit
fort, die Rechte von neuen Fürsten über deren Länder zu bestätigen
und blieben so dem Titel nach bis ins 3. Jahrhundert v. Chr.
formale Alleinherrscher. Vom 8. bis ins 3. Jahrhundert v. Chr.
traten anstelle von extremer politischer Instabilität und beinahe
ununterbrochener kriegerischer Aktivität ein rapides Wirtschaftswachstum
und soziale Veränderungen. In diesen Jahren trat China in die
Eisenzeit. Die aus Eisen geschmiedeten Werkzeuge sorgten zusammen
mit einer verbesserten Bewässerungstechnik für einen höheren Standard
in der Landwirtschaft, was wiederum einen beständigen Bevölkerungszuwachs
zur Folge hatte. Der Anstieg der Bevölkerung wurde begleitet von
einem neuen Wohlstand und einer neuen Klasse von Händlern und
Kaufleuten. Die Kommunikation ließ sich durch das Reiten auf Pferden
ebenfalls verbessern.
Die
ökonomische Integration ermöglichte es den Herrschern, über größere
Territorien Kontrolle auszuüben. Die Länder an den äußeren Rändern
der Grenzen chinesischer Kultur dehnten sich auf Kosten jener
nichtchinesischen Staaten aus, die außerhalb dieser Grenzen lagen.
Auf diese Weise vermischte sich die chinesische Kultur mit den
weniger entwickelten Kulturen nichtchinesischer Zivilisationen.
Von der nichtchinesischen Region an der Nordwestgrenze haben die
Chinesen in diesen Randgebieten
beispielsweise die Einheiten der Kavallerie übernommen. Für die
Staaten im Kernland in der Nordchinesischen Ebene bedeutete Expansion
die Aggression gegen andere Staaten mit derselben Zivilisation.
Durch die Einheitlichkeit der Kultur unter den Staaten fand eine
Art kultureller Stagnation statt. Im 6. Jahrhundert v. Chr.
umgaben sieben machtvolle Staaten eine Reihe kleinerer, relativ
schwacher Länder in der Nordchinesischen Ebene.
Mit
dem Verfall der politischen Autorität der Chou-Dynastie und der
Notwendigkeit starker Staaten an der Peripherie wurden die Beziehungen
zwischen den Ländern zunehmend instabil. Während dem 7. und 6. Jahrhundert
v. Chr. konnte durch interstaatliche Allianzen unter der
Hegemonialherrschaft des stärksten Mitglieds für eine kurze Zeit
Stabilität hergestellt werden. Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr.
erwies sich das System der Allianzen jedoch als unfruchtbar und
das China der Chou-Dynastie fiel in anarchische Zustände zurück,
was die innerstaatlichen Beziehungen anbelangte. Diese Ära ging
auch als Zeit der Streitenden Reiche in die Geschichte ein (481-221
v. Chr.).
Das
goldene Zeitalter der chinesischen Philosophie
Die
intellektuelle Antwort auf die extreme Instabilität und Unsicherheit
produzierte politische Formeln und Philosophien, die das Wachstum
des chinesischen Staates und der Zivilisation für die nächsten
zwei Jahrtausende umrissen. Der erste und wohl einflussreichste
Philosoph dieser Periode war Kung Futzu oder Konfuzius, wie er
im Westen genannt wird. Er war der Sohn einer kleinen Adelsfamilie
aus dem Staat Lu (heute Shandong). Konfuzius repräsentierte die
aufsteigende Klasse von Verwaltern und Ratgebern, die später dazu
notwendig war, der herrschenden Aristokratie bei der Bewältigung
komplizierter Probleme in der internen Verwaltung und den innerstaatlichen
Beziehungen behilflich zu sein. Im Wesentlichen forderte Konfuzius
die Restauration jener politischen und sozialen Einrichtungen,
die zur Zeit der frühen Chou vorhanden waren. Er glaubte, dass
die weisen Herrscher dieser Periode eine ideale Gesellschaft auf
der Grundlage persönlicher Tugend entwickelt hatten. Deshalb versuchte
er, eine Schicht integrer und kultivierter Herren zu etablieren,
welche die verantwortungsvollen Aufgaben in der Regierung übernehmen
und die Menschen durch ihr persönliches Beispiel führen würden.
Die
Lehren des Taoismus, der zweiten großen philosophischen Schule
während der Periode der Unruhen, sind im Tao-te-King („Buch vom
Tao und seiner Kraft") festgehalten. Als Urheber dieser Philosophie
gelten die historisch im Dunkeln liegende Figur des Lao-tse und
die Werke des Tschuang-tsu. Die Taoisten lehnten das vorstrukturierte
System des Konfuzius ab, der die Kultivierung menschlicher Tugenden
und eine soziale Ordnung propagierte. Auf der politischen Ebene
rief der Taoismus zur Rückkehr zu den einfachen bäuerlichen Gemeinschaften
auf, in der das Leben seinem natürlichen Lauf folgen könne. Die
Regierung sollte uneingeschränkte Freiheiten gewähren und den
Menschen die spontanen Reaktionen auf die Veränderbarkeit der
Natur überlassen.
Eine
dritte politische Schule, die in derselben Zeit ihre Blüte hatte,
gewann im Lauf der Zeit immer größeren Einfluss auf die chinesische
Zivilisation. Der Legalismus forderte angesichts der extremen
Unordnung und Strukturlosigkeit neue und drastische Maßnahmen.
Gewünscht wurde eine soziale Ordnung, die auf strikten und objektiven
Gesetzen basiert und jeden Aspekt menschlicher Aktivität reglementiert.
Um ein solches System zu errichten, sollte ein machtvoller und
wohlhabender Staat gebildet werden, in dem der Herrscher eine
unangefochtene Autorität darstellt. Die Legalisten drängten auf
Verstaatlichung des Kapitals und Regierungsmonopole sowie andere
wirtschaftliche Maßnahmen, mit deren Hilfe dem Staat ein Vermögen
übertragen werden konnte. Die militärische Macht sollte gestärkt
und die Kontrolle der Verwaltung zentralisiert werden.
Entstehung
des Kaiserreiches
Während
des 4. Jahrhunderts v. Chr. baute der Staat Qin, einer
der neu aufgekommenen Staaten an der Peripherie im Nordwesten,
ein Programm administrativer, ökonomischer und militärischer Reformen
auf, das von einem anerkannten Rechtsgelehrten entwickelt wurde.
Zur selben Zeit wurde auch die Macht des Chou-Regimes immer geringer,
bis es schließlich 256 v. Chr. zusammenbrach. Eine Generation
später hatte die Dynastie der Qin bereits die anderen konkurrierenden
Staaten unterworfen.
Die
Qin-Dynastie (221-206 v. Chr.)
221
v. Chr. ernannte sich der König der Qin, Shih Huang Ti, selbst
zum ersten Kaiser der Qin-Dynastie. Der Name China stammt von
dieser Dynastie.
Mit
der Hilfe eines klugen Rechtsministers fasste der erste Kaiser
den losen Verband der feudalähnlichen Staaten zu einem verwaltungstechnisch
zentralisierten und kulturell geeinigten Reich zusammen. Die der
Erbfolge unterworfene Aristokratie wurde abgeschafft und die betreffenden
Territorien in Provinzen eingeteilt. Vom Kaiser bestellte Beamte
regierten diese Provinzen. Die Hauptstadt der Qin, in der Nähe
des heutigen Xi’an, wurde zur ersten Residenzstadt des kaiserlichen
China. Ein standardisiertes System von Schriftzeichen wurde festgelegt
und dessen Verwendung im gesamten Reich vorgeschrieben. Um den
Binnenhandel und die wirtschaftliche Integration zu stärken, legten
die Qin auch feste Gewichte, Maße, Münzen und Achsenbreiten fest.
Das private Landeigentum wurde ebenso eingeführt wie allgemein
gültige Gesetze und Steuern. Die Forderung nach kultureller Einheitlichkeit
führte dazu, dass unter den Qin viele widerstreitende philosophische
Schulen, die unter der späten Chou-Dynastie geblüht hatten, verboten
wurden. Lediglich der Legalismus erhielt die offizielle Sanktion,
und 213 v. Chr. wurden die Bücher aller anderen Schulen verbrannt,
mit Ausnahme jener Kopien, die sich in der kaiserlichen Bibliothek
der Qin befanden.
Der
erste Kaiser versuchte auch, die Grenzen der chinesischen Zivilisation
über diejenigen der Chou-Dynastie hinaus auszudehnen. Im Süden
ließ er die Armee im Delta des Roten Flusses einmarschieren, in
das Gebiet des heutigen Vietnam. Im Südwesten wurde das Kaiserreich
auf die heutigen Provinzen Yunnan, Guizhou und Sichuan ausgedehnt.
Im Nordwesten erstreckten sich die Eroberungen bis Lanzhou, der
heutigen Provinz Gansu, und im Nordosten erkannte ein Teil des
heutigen Korea die Vorherrschaft der Qin an. Das Zentrum der chinesischen
Kultur blieb jedoch das Tal des Huang He. Neben der Vereinheitlichung
und Expansion Chinas war die Fertigstellung der Chinesischen
Mauer eine
weitere Errungenschaft der Qin.
Die
Feldzüge in das Ausland, der Bau der Mauer und andere öffentliche
Arbeiten gingen auf Kosten der Gesundheit und des Lebens vieler
Menschen. Die Last der Steuern, der Militärdienst und die verstärkten
Arbeitsleistungen führten zu Ressentiments gegen die Herrschaft
der Qin beim Volk des neuen Kaiserreiches. Daneben wurde die gebildete
Klasse von der Regierungspolizei durch Zensur und Maßnahmen wie
die Bücherverbrennung schikaniert. Der Nachfolger von Shih Huang
Ti kam unter den Einfluss eines hinterlistigen Palasteunuchen.
Ein Machtkampf wurde entfacht, die zentrale Verwaltung wurde gelähmt
und die ungehaltene Bevölkerung rebellierte.
Die
frühe Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 9 n. Chr.)
Aus
den Turbulenzen und kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten
Jahre unter der Qin-Dynastie gelangte der Rebellenführer Liu Pang
(siehe Kao Tsu) an die Spitze. Er verdrängte die übrigen Thronanwärter
und ernannte sich 202 v. Chr. selbst zum Kaiser. Die Dynastie
der Han, die Liu Pang gründete, zählt zu den dauerhaftesten Kaiserreichen
dieser Zeit. Die Han-Dynastie baute auf der Einheit des Reiches
auf, die unter den Qin hergestellt worden war, änderte jedoch
jene Politik, die für den Niedergang der Qin verantwortlich war.
Die erdrückenden Gesetze wurden abgeschafft, die Steuern stark
herabgesetzt und eine liberalere Politik eingeführt. Mit diesen
Maßnahmen sollte eine wirtschaftliche Erholung eingeleitet werden.
Liu Pang garantierte einigen seiner Alliierten und Verwandten
die Erbfolge für ihre Königshäuser. Doch bereits Mitte des 2. Jahrhunderts
v. Chr. waren die meisten dieser Königreiche eliminiert und
beinahe das gesamte Territorium unterstand der direkten Herrschaft
durch die Han.
Zu
den wichtigsten geschichtlichen Beiträgen der Han-Dynastie zählt
die Einführung des Konfuzianismus als offizielle Ideologie. In
dem Versuch, eine alles umfassende Staatsideologie zu entwickeln,
bezogen die Han jedoch auch andere philosophische Richtungen in
den Konfuzianismus ein und reicherten die kargen Lehren des Konfuzius
durch allerlei völkischen Aberglauben an.
Die
frühe Han-Dynastie erreichte unter dem Kaiser Wu Ti ihren Höhepunkt.
Dieser regierte von 141 bis 87 v. Chr. Beinahe das gesamte
Territorium, das auch heute noch zu China gehört, wurde zur Zeit
dieses Kaisers dem Reich einverleibt, auch wenn viele Gebiete,
insbesondere im Süden des Jangtsekiang, sich damals noch nicht
wirklich assimilierten. Die chinesische Autorität war in der südlichen
Mandschurei und in Nordkorea etabliert. Im Westen bekämpfte die
Armee der Han einen Stamm mit dem Namen Hsiung-nu, die vermutlich
mit den Hunnen verwandt waren, und drangen in das Tal des Flusses
Jaxartes ein (dem heutigen Syrdarja in Zentralasien). Auch der
Süden der Insel Hainan kam unter die Kontrolle der Han. Im Delta
des Xi Jiang, in Annam und Korea entstanden Kolonien.
Die
expansive Politik des Kaisers Wu verbrauchte das finanzielle Polster,
das in der liberalen Periode seiner Vorgänger erwirtschaftet worden
war. Um die Staatskasse erneut zu füllen, wurde eine Restauration
der Politik erforderlich. Die Steuern wurden angehoben, die Regierungsmonopole
neu belebt und die Währung herabgesetzt. Die von den Bauern getragenen
Lasten wurden durch das Wachstum der Bevölkerung noch zusätzlich
erschwert. Während des 1. Jahrhunderts v. Chr. verschlechterten
sich die Lebensbedingungen weiter. Der Thron war bereits mehrmals
an Kinder vererbt worden, deren Mütter die Regierungsposten meist
mit unqualifizierten Mitgliedern der eigenen Familie ausstatteten.
Zersplitterung und Inkompetenz schwächten die kaiserliche Regierung.
Die großen Landbesitzerfamilien in den Provinzen forderten die
Steuer eintreibenden Behörden der Zentralregierung heraus und
erreichten eine Art Ausnahmestatus. Nachdem die Anzahl der abgabefreien
Besitzungen zunehmend gestiegen war, sanken die Einnahmen der
Regierung, und die Belastung der steuerpflichtigen Bauern wuchs
immer stärker an. Bauernaufstände und Banditentum kamen auf und
waren Ausdruck der Unzufriedenheit im Volk.
Die
Hsin-Dynastie (9-23 n. Chr.)
In
dieser Phase der Wirren stand der ambitionierte Höfling Wang Mang
einem kindlichen Kaiser zur Seite, für den er als Regent agieren
musste. Er etablierte die kurze Zeit der Hsin-Dynastie. Wang Mang
versuchte, die kaiserliche Regierung wieder zu beleben und erließ
den Bauern einen Teil ihrer Lasten. Er wendete sich gegen die
steuerfreien Besitztümer, indem er das gesamte Land verstaatlichte
und unter der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung verteilte.
Die Sklaverei wurde abgeschafft. Die kaiserlichen Monopole auf
Salz, Eisen und die Münzprägung wurden verstärkt, neue Monopole
wurden geschaffen. Der Staat gab Festpreise vor, um die Bauern
vor skrupellosen Händlern zu schützen und bot denjenigen niedrig
verzinstes Kapital an, die produktive Unternehmen aufbauen wollten.
Der
Widerstand der besitzenden Klasse war jedoch so groß, dass Wang
Mang dazu gezwungen war, seine Landverteilung zurückzunehmen.
Die Krise in der Landwirtschaft verschärfte sich und durch den
Zusammenbruch eines wichtigen Wasserversorgungssystems in Nordchina,
das durch die finanzschwache Regierung vernachlässigt worden war,
verschlechterte sich die Situation weiter. Unter der Führung einer
Gruppe mit dem Namen Rote Augenbrauen brach in Nordchina eine
Rebellion aus. Dieser schlossen sich bald die landbesitzenden
Familien an. Der Aufstand endete mit der Ermordung von Wang Mang
und der erneuten Herrschaft der Han-Dynastie.
Die
späte Han-Dynastie (25-220 n. Chr.)
Die
administrative Schwäche und Ineffizienz lasteten von Beginn an
schwer auf der späten östlichen Han-Dynastie. Wie bereits unter
der frühen westlichen Han-Dynastie litt auch hier die Zentralregierung
an inkompetenten Verwandten aus den mütterlichen Familien der
kindlichen Kaiser. Mit Hilfe der höfischen Eunuchen gelang es
den nachfolgenden Kaisern, die inkompetente Verwandtschaft loszuwerden,
dafür mussten sie jedoch den Eunuchen einen gleich großen Einfluss
garantieren. Auch dies führte dazu, dass die Regierung durch Zersplitterungen
aufgerieben wurde. Zwischen den Jahren 168 und 170 fanden ständige
Streitigkeiten zwischen den Eunuchen und jenen Bürokraten statt,
die der Auffassung waren, die Eunuchen missbrauchten ihre starke
Position zur Einflussnahme auf die Regierung. 184 brachen zwei
große Rebellionen aus, angeführt durch religiöse taoistische Gruppen.
Während zweier Jahrzehnte plünderten die Gelben Turbane, wie eine
dieser Sekten hieß, Shandong und die benachbarten Gebiete. Erst
215 gelang es dem großen Han-General Ts’ao Ts’ao, die andere Gruppe
namens Fünf-Scheffel-Reis-Gesellschaft in Sichuan zu befrieden.
Periode
der Uneinigkeit
Das
Kaiserreich der Han begann zu zerfallen, als die großen Landbesitzerfamilien
aus der Schwäche der kaiserlichen Regierung ihre Vorteile zogen
und eigene Privatarmeen aufstellten. 220 eroberte der Sohn von
Ts’ao Ts’ao den Thron und errichtete die Wei-Dynastie (220-265).
Die führenden Personen mit dynastischen Ambitionen wechselten
jedoch schon bald in andere Landesteile über. Die Shu-Dynastie
(221-263) etablierte sich im südwestlichen China und die Wu-Dynastie
(222-280) im Südosten. Die drei Königreiche führten erbitterte
Kriege gegeneinander. 265 eroberte der machtvolle General Ssu-ma
Yen den Thron der Wei-Dynastie und errichtete die westliche Jin-Dynastie
(265-317) in Nordchina. Bis 280 hatte er den Norden und Süden
unter seiner Herrschaft vereinigt. Bald nach seinem Tod im Jahr
290 zerfiel das Reich jedoch abermals. Ein wichtiger Grund für
diese innere Schwäche lag im großen Einfluss der reichen Landbesitzerfamilien.
Diese übten ihre Macht durch das neunstufige Kontrollsystem aus,
das prominenten Persönlichkeiten in allen Verwaltungsgebieten
die Autorität verlieh, die Positionen in den Lokalregierungen
zu besetzen. Da diese Machtverteilung lediglich durch einige wenige
Persönlichkeiten vorgenommen wurde, spiegelte diese häufig eher
die Wünsche der führenden Familien als eine tatsächliche Regierungskompetenz
wider.
Die
nichtchinesischen Stämme im Norden, die von den Han an die Grenze
zurückgedrängt worden waren, benutzten diese Periode der Regierungsschwäche,
um ihre Weideländer in die fruchtbare Nordchinesische Ebene auszudehnen.
Die ersten Invasionen begannen 304, und bis 317 hatten die Stämme
der Jin-Dynastie Nordchina abgerungen. Beinahe drei Jahrhunderte
lang wurde Nordchina von einer einzigen nichtchinesischen Dynastie
regiert, während der Süden von vier aufeinander folgenden chinesischen
Dynastien beherrscht wurde, die alle ihren Sitz in der heutigen
Stadt Nanking hatten. Die gesamte Nordchinesische Ebene konnte
bis 420 von keiner nichtchinesischen Dynastie erobert werden.
Dies gelang erst der nördlichen Wei-Dynastie (386-534).
In
der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts betrieben die nördlichen
Wei eine Politik der Sinofikation. Das landwirtschaftliche Gebiet
von Nordchina wurde bürokratisch verwaltet, wie dies zuvor von
den chinesischen Dynastien durchgeführt wurde. Die Stammesangehörigen
verpflichtete man zu einem Militärdienst. Chinesische Kleidung
und Bräuche wurden übernommen und Chinesisch zur offiziellen Sprache
am Hof erklärt. Die Stammesfürsten opponierten gegen diese Anpassung
an chinesische Sitten, weil ihre Macht dadurch geschmälert wurde.
534 stürzte die Dynastie. In den folgenden 50 Jahren wurde
Nordchina erneut von nichtchinesischen Dynastien regiert.
Das
neuchinesische Reich
Unter
dem Herrscherhaus Sui wurde China in den Jahren 589 bis 618 neu
vereint. Der erste Kaiser der Sui war Yang Chien, ein Militärbediensteter,
der den Thron 581 von den nichtchinesischen nördlichen Chou übernahm.
Während der nächsten acht Jahre eroberte er Südchina und richtete
bei Changang (heute Xi’an) die neue Hauptstadt ein. Die Sui bauten
das zentralisierte Verwaltungssystem der Han-Dynastie neu auf
und richteten Auswahlkriterien für die Einstellung von Beamten
ein. Obwohl der Konfuzianismus offizielle Religion war, wurden
nun auch Taoismus und Buddhismus bei der Formulierung einer neuen
Reichsideologie berücksichtigt. Der Buddhismus, in der Zeit der
Han-Dynastie und der späteren Wirren von Indien nach China gelangt,
blühte auf.
Die
Herrschaft der Sui war kurz, aber von vielfältigen Aktivitäten
gekennzeichnet. Die Chinesische Mauer wurde unter großen Menschenopfern
repariert. Ein Kanalsystem, das später den Kaiserkanal bildete,
wurde konstruiert, um die reiche Ernte aus dem Jangtsekiang-Delta
nach Loyang und in den Norden zu verschiffen. Auch die chinesische
Kontrolle über Nordvietnam und, bis zu einem gewissen Grad, über
die zentralasiatischen Stämme im Norden und Westen war wieder
hergestellt. Ein langer und kostspieliger Feldzug gegen das Königreich
in der südlichen Mandschurei und in Nordkorea endete jedoch mit
einer Niederlage. Durch den großen Prestigeverlust und die erneut
verarmte Bevölkerung stürzte die Dynastie der Sui 617 durch einen
von dem Rebellen Li Yuan angeführten Aufstand.
Die
Tang-Dynastie (618-907)
Gegründet
von Li Yuan, herrschte die Dynastie der Tang in einer Zeit, in
der die chinesische Zivilisation erstarkte wie nie zuvor. Das
System der Einstellungsprüfungen für Beamte war mittlerweile so
differenziert geworden, dass es als Vorläufer der bis in die heutige
Zeit reichenden Verwaltungsstrukturen gelten kann. Die Organe
der kaiserlichen und lokalen Regierungen wurden neu strukturiert
und so weit ausgedehnt, dass eine Zentralverwaltung mit einem
ausgearbeiteten Kodex von administrativen und strafrechtlichen
Gesetzen operieren konnte. Die Hauptstadt der Tang-Herrscher bei
Changan war Zentrum der Kultur und der religiösen Toleranz. Viele
Religionen, einschließlich des Christentums, durften praktiziert
werden. Der Außenhandel mit Zentralasien und dem Westen wurde
über die Karawanenstraßen abgewickelt und die Kaufleute aus dem
Mittleren Osten betrieben ihren Seehandel über den Hafen von Kanton.
Unter den Tang-Kaisern wurde der chinesische Einfluss auf Korea,
die südliche Mandschurei und Nordvietnam ausgedehnt. Im Westen
schlossen die Tang Bündnisse mit den zentralasiatischen Stämmen
und kontrollierten so das Tarim-Becken und dehnten ihren Einflussbereich
bis in das Gebiet des heutigen Afghanistan hinein aus.
Verwaltungssystem
Die
ökonomische und militärische Stärke des Reiches der Tang basierte
auf einem System gerechter Landzuweisung an die erwachsene männliche
Bevölkerung. Die pro Kopf von den Landbesitzern zu entrichtenden
Steuern bildeten die größte Einnahmequelle der Regierung. Der
von jedem periodisch zu leistende Militärdienst war die Säule
der militärischen Stärke in der Tang-Dynastie. Schwierigkeiten
entstanden jedoch für die Regierung, weil sie nach wie vor bestimmten
Besitzungen Steuerfreiheit gewährte und jenen große Ländereien
garantierte, die die Regierung unterstützten. Als Ergebnis der
Bevölkerungszunahme erhielten die kleinen Landbesitzer im 8. Jahrhundert
zwar immer geringere Landanteile, die Steuern blieben aber dieselben.
Bald setzte jedoch eine Landflucht ein, und die damit verbundenen
geringeren Steuereinnahmen der Regierung schwächten die Streitkräfte.
Die Grenzgebiete konnten nicht länger durch das Militär geschützt
werden. Entlang der Grenze wurde ein System von Stützpunkten und
Kommandoeinheiten errichtet und die nichtchinesischen Truppen
und Befehlshaber mit der Verteidigung beauftragt.
Rebellion
des An Lu-shan
Die
frühen Tang-Herrscher, einschließlich der Kaiserin Wu (regierte
683-705), eine ehemalige kaiserliche Konkubine, waren im Allgemeinen
fähige Herrscher. Der Kaiser Hsüan Tsung verliebte sich jedoch
in die Kurtisane Yang Kuei-fei, die viel jünger war als er, und
vernachlässigte seine Pflichten. Yang war es gestattet, ihre Freunde
und Verwandten in wichtige Positionen zu bringen. Einer von Yangs
Günstlingen war der General An Lu-Shan, der mit Yangs Bruder um
die Regierungskontrolle kämpfte. Diese Streitigkeiten endeten
755 in einer Revolte. Der Friede konnte erst 763 wieder hergestellt
werden und das lediglich mit den Mitteln einer Allianz, welche
die Tang mit den zentralasiatischen Stämmen eingingen. Nach der
Rebellion des An Lu-shan gelang es der Zentralregierung nicht
mehr, die militärischen Kommandanturen an den Grenzen zu kontrollieren.
Einige Kommandanturen gingen in Königreiche mit Erbfolge über
und erhielten von der Zentralregierung Steuerrückzahlungen. Das
System der Kommandanturen verbreitete sich auch in anderen Gebieten
Chinas, und im 9. Jahrhundert war die tatsächlich der Zentralregierung
unterstellte Region auf die Provinz Shaanxi beschränkt.
Zu
großer kultureller Blüte kam es gegen Ende der Tang-Dynastie.
Die Dichter Li Po, Tu Fu und Po Chü-i sowie der Meister der Erzählung
Han Yü betraten zu einer Zeit die Bühne, als der politische Abstieg
bereits begonnen hatte. Durch den Druck von Büchern wurde die
kulturelle Einheit gestärkt.
Religiöse
Verfolgung und Uneinigkeit
Mit
dem Wiederaufleben des Konfuzianismus in der Periode der späten
Tang entstand eine neue kraftvolle Ideologie, welche die Basis
für das Entstehen einer dauerhaften Zivilisation in den folgenden
Jahrhunderten bildete. Obwohl der Buddhismus bereits in der Blütezeit
der frühen Tang seinen Zenit überschritten hatte, entwickelte
eine gebildete Klasse überwiegend konfuzianischer Überzeugung
in der Mitte dieser Dynastie eine Haltung, die den Buddhismus
als zerstörerische Kraft in der chinesischen Gesellschaft betrachtete.
845 begann der Tang-Kaiser mit der Verfolgung der Buddhisten.
Mehr als 4 600 Klöster und 40 000 Tempel und
Schreine wurden zerstört und 260 000 buddhistische Mönche
und Nonnen zur Rückkehr in ein weltliches Leben gezwungen. Andere
religiöse Gruppen unterstellte man ebenfalls der staatlichen Kontrolle.
Das
soziale und wirtschaftliche Wachstum konnte die Einheit in diesen
Jahren der politischen Zersplitterung aufrecht erhalten. Handwerkliche
Verbände, die Verwendung von Papiergeld und die kommerzielle Zentralisierung
nahmen in der Periode der späten Tang ihren Anfang.
Die
Auflösung politischer und ökonomischer Macht, welche den Zusammenbruch
der Tang-Dynastie kennzeichnete, mündete in einer kurzen Phase
der Uneinigkeit, auch unter dem Namen Periode der Fünf Dynastien
bekannt (907-960). Dabei folgten in der Region des Huang He in
Nordchina nicht nur fünf kurzlebige Dynastien aufeinander, sondern
man errichtete auch zehn unabhängige Staaten – die meisten davon
in Südchina. Obwohl China in dieser Zeit von der Eroberung durch
ausländische Eindringlinge verschont blieb, konnte die Liao-Dynastie
(907-1125) der Kitan-Mongolen ausgehend von der Mandschurei und
der Mongolei ihren Einfluss über bestimmte Gebiete des nördlichen
Hebei und der Provinz Shanxi ausdehnen. Peking wurde zur südlichen
Hauptstadt des vereinigten Sino-Kitan-Reiches.
Kulturelle
Reife und Fremdherrschaft
Die
Periode der Fünf Dynastien endete um das Jahr 960, als der militärische
Führer Chao K’uang-yin den Thron bestieg und die Sung-Dynastie
(960-1279) ausrief. 978 kontrollierten die Sung den größten Teil
Chinas, mit Ausnahme jener Gebiete im nördlichen Hebei und Shanxi,
die von der Liao-Dynastie der kitanischen Mongolen regiert wurden.
Diese Periode der Geschichte wird im Allgemeinen in zwei Phasen
eingeteilt: Die nördlichen Sung hatten ihre Haupstadt in Kaifeng
(960-1126), während die südlichen Sung (1127-1279) mit der Hauptstadt
Kanton lediglich Südchina kontrollierten.
Die
nördlichen Sung
Aus
Furcht davor, die militärische Kraft an den Grenzen zu verteilen,
eine Entwicklung die bereits die Dynastie der Tang geschwächt
hatte, begrenzten die Sung in ihrer Frühzeit das Provinzmilitär
und unterstellten die Armee der Regierung. Die zivilen Beamten
dominierten in der Tat alle Regierungsressorts und alle gesellschaftlichen
Bereiche. Das Auswahlsystem für den öffentlichen Dienst, das bereits
von der Tang-Dynastie ausgearbeitet worden war, wurde erweitert
und versorgte die Dynastie mit einem ständigen Zulauf von Talenten.
Die Sung organisierten die kaiserliche Regierung neu und zentralisierten
die Kontrolle in der Hauptstadt in bisher nie dagewesenem Ausmaß.
Die lokale Verwaltungsstruktur wurde größtenteils wie unter den
Tang-Kaisern beibehalten. Die Literatur, die Künste und die Philosophie
entwickelten sich in jene Richtungen weiter, die in der Zeit der
späten Tang entstanden waren. Die Erziehung florierte, die Wirtschaft
expandierte und fand neue Ansatzpunkte. Die militärische Schwäche
konnte jedoch nicht beendet werden.
Nach
mehrmaligen Niederlagen gegen die Liao unterzeichneten die Sung
1004 einen Vertrag. Dabei traten sie diejenigen Gebiete für immer
an die Liao ab, welche diese an der Nordgrenze besetzt hielten
und stimmten einer jährlichen Tributzahlung zu. Nach langen Kämpfen
mit den Hsi Hsia, einem Tangutenstamm an der Nordwestgrenze, erkauften
sich die Sung erneut im Jahr 1044 durch Tributzahlungen einen
Friedensvertrag. Mitte des 11. Jahrhunderts traten in der
Sung-Dynastie erhebliche Finanzprobleme auf. Der Bevölkerungzuwachs
hatte das ökonomische Wachstum eingeholt. Die Militärausgaben
im Zusammenhang mit der Verteidigung der Nordgrenze nahmen den
größten Teil der Jahreseinnahmen in Anspruch und auch die Kosten
der wachsenden Zivilverwaltung waren nicht eben gering. Als sich
die militärische und finanzielle Situation weiter verschlechterte,
wurden die politischen Kräfte von den verschiedenen Reformvorschlägen
und Lösungsansätzen zerrissen.
1069
ernannte ein junger Sung-Kaiser den kompetenten Wang An-shih zu
seinem Chefberater. Wang beschloss verschiedene Reformen, um den
Haushalt der Regierung zu erhöhen, die Ausgaben zur reduzieren
und das Militär zu stärken. Da das Einkommen der Regierung unmittelbar
mit dem Wohlstand der einzelnen Steuer zahlenden Bauern verknüpft
war, befürwortete er eine Landreform, bei der alle gleiche Anteile
erhalten sollten. Die Bauern konnten Anleihen aufnehmen, um das
Anpflanzen und Ernten optimieren zu können. Daneben schaffte er
den Militärdienst für die Bauern ab, führte eine je nach Vermögen
abgestufte Steuerzahlung ein und legte staatliche Reserven an
Grundnahrungsmitteln und Bedarfsgütern an, die im Falle von Hungersnöten
wieder verkauft oder verteilt werden konnten. Einige Teile von
Wangs Reformprogramm wurden zwar ausgeführt, aber aufgrund von
bürokratischen Widerständen schon bald wieder aufgegeben.
Die südlichen
Sung
Wegen
der eigenen militärischen und finanziellen Schwächen waren die
Sung 1122 dazu gezwungen, mit der Chin-Dynastie (1122-1234) eine
Allianz für die nördliche Mandschurei gegen die Liao einzugehen.
Nach dem Sieg über die Liao wendeten sich die Chin gegen die Sung
und marschierten in Nordchina ein. 1126 eroberten sie die Hauptstadt
Kaifeng. Die Sung zogen sich 1135 zurück und erklärten Kanton
in der Provinz Zhejiang zu ihrer Hauptstadt.
Unter
den südlichen Sung entwickelte sich Südchina rasch weiter. Der
ökonomische Aufschwung und die intellektuellen Errungenschaften
der Südchinesen übertrafen diejenigen ihrer nördlichen Eroberer
bei weitem. Durch die ökonomische Blüte war es der Regierung möglich,
auch die Verteidigung viel weiter auszubauen, als dies die nördlichen
Sung konnten. Der Neokonfuzianismus, durch Chu Hsi in seine letzte,
verfeinerte Form gebracht, blieb zwar das primäre auf die menschliche
Existenz ausgerichtete Moralsystem, nährte sich aber auch von
metaphysischen Anleihen aus dem Buddhismus, um eine ausgewogenere
und dauerhaftere Philosophie des Universums präsentieren zu können.
Obwohl die Bürokratie anwuchs und sich Probleme auf der Verwaltungsebene
abzeichneten, waren bei den südlichen Sung keine Anzeichen eines
internen Zusammenbruchs zu erkennen. Die Sung-Dynastie konnte
erst durch eine deutliche militärische Überlegenheit nach jahrelangen
erbitterten Kämpfen bezwungen werden.
1206
versammelten sich alle mongolischen Stämme in der Äußeren Mongolei,
um die mongolische Einheit unter der Führung von Dschingis Khan
zu bestätigen. Im Anschluss daran gingen die Mongolen auf verschiedene
Eroberungsfeldzüge, die in der Errichtung des größten Reiches
der Welt zur damaligen Zeit endeten. In China fiel zunächst die
fremde Chin-Dynastie der mongolischen Armee zum Opfer. Dschingis
Khan eroberte Peking, die Hauptstadt der Chin, im Jahr 1215 und
dehnte sein Reich anschließend auf die restlichen Gebiete Nordchinas
aus. Die endgültige Eroberung der südlichen Sung fand erst 1279
statt, nachdem Kublai Khan, ein Enkel von Dschingis, die Führung
der Mongolen übernommen hatte.
Mongolische
Herrschaft
Kublai
verlegte die Hauptstadt der Mongolen in die Nähe von Peking. Von
hier aus regierte er ein Reich, das sich von Osteuropa nach Korea
erstreckte und von Nordsibirien in den Süden bis nach Nordindien.
Kublai und seine Nachfolger übernahmen einen großen Teil des Verwaltungsapparats,
der bereits unter den Sung existierte. Sie herrschten als chinesische
Monarchen unter dem Titel der Dynastie Yüan (1279-1368) und wurden
auch von den Chinesen als legitime Dynastie betrachtet. Das Reich
des Kublai Khan war der Höhepunkt mongolischer Macht. Die Kommunikationsstrukturen
wurden damals elementar verbessert. Die zentralasiatischen Handelsrouten,
gänzlich unter mongolischer Kontrolle, waren sicherer als jemals
zuvor. Der Verkehr von Westen nach Osten nahm ebenfalls ständig
zu. Die Missionare und Händler kamen nach China und brachten neue
Ideen, Techniken, Nahrungsmittel und Medizin ins Land. Der bekannteste
fremde Reisende in China war der venezianische
Kaufmann Marco Polo,
dessen Aufzeichnungen den Glanz des mongolischen Reiches für den
Westen lebendig wiedergeben.
In
der Zwischenzeit wuchs in China die Unzufriedenheit. Die konfuzianischen
Beamten weigerten sich, die von den Mongolen ausgesprochenen Verbote
gegen chinesische Kaufleute durchzuführen. Inflation und drückende
Steuern brachten den Bauernstand auf. In den Jahren 1330 und 1340
gab es große Ernteeinbußen und Hungersnöte in Nordchina, weil
der Huang He die Region mehrmals heftig überflutet hatte. 1340
gab es in fast jeder Provinz Aufstände. In der folgenden Dekade
betraten mehrere starke Rebellenführer die Bühne, und 1360 gelang
es dem ehemaligen buddhistischen Mönch Zhu Yuanzhang, seine Macht
auf das gesamte Jangtsekiang-Tal auszudehnen. 1371, während die
mongolische Herrschaft aufgrund innerer Rivalitäten geschwächt
war, marschierte Zhu nach Norden und besetzte Peking. Die Mongolen
zogen sich schließlich wieder in die Mongolei zurück, und setzen
ihre Angriffe gegen die Chinesen von dort aus fort.
Kaiserliche
Stärke
Zwei
bedeutende Dynastien bestimmten nach dem Machtverlust Zhus die
chinesische Geschichte des 14. Jahrhunderts.
Die
Ming-Dynastie (1368-1644)
Die
von Zhu gegründete Ming-Dynastie machte Nanking zu ihrer Hauptstadt
und belebte die charakteristische chinesische Zivilisation der
Tang und Sung neu. Die chinesische Macht war in China und ganz
Ostasien wieder hergestellt. Eine zivile Regierung wurde eingerichtet.
Die Literatur wurde gefördert, Schulen wurden gegründet und die
Verwaltung der Justiz reformiert. Die Chinesische Mauer wurde
weiter ausgebaut und der Kaiserkanal verbessert. Das Reich war
in 15 Provinzen eingeteilt, von denen die meisten ihre Originalnamen
behielten. Jeder Provinz standen drei Kommissare voran, einer
für die Finanzen, einer für das Militär und einer für die Justiz.
Dem Finanzkommissar, gleichzeitig Leiter der Verwaltung, stand
in den letzten Jahren der Dynastie ein Gouverneur vor.
In
der frühen Ming-Zeit wurde erneut das Tributsystem eingerichtet.
Nichtchinesische Staaten Ostasiens mussten die kulturelle und
moralische Vorherrschaft Chinas anerkennen und in bestimmten Zeitabständen
Tribute an den chinesischen Hof entrichten. Während des ersten
Viertels des 15. Jahrhunderts wurden die Stämme aus der Mongolei
entscheidend geschlagen und die Hauptstadt wurde erneut in den
Norden nach Peking zurückverlegt. Die chinesischen Schiffsexpeditionen
dehnten die Macht der Ming-Kaiser über den gesamten südostasiatischen
Raum, die Staaten Indiens und sogar bis nach Madagaskar aus. In
der Mitte des 15. Jahrhunderts begann die Macht der Ming
jedoch nachzulassen. Die Qualität der kaiserlichen Führung verschlechterte
sich, und die Hofeunuchen erhielten immer mehr Macht über den
Kaiser. Dadurch entstanden neue Unzufriedenheiten und Spaltungen
innerhalb der Regierung. Die kaiserlichen Schatztruhen wurden
durch die Kosten der Verteidigung gegen die wiederholten Einfälle
der Mongolen und die Plünderungen japanischer Piraten, die im
16. Jahrhundert an der Südostküste ihr Unwesen trieben, drastisch
geleert. Ein siebenjähriger Feldzug gegen die japanischen Truppen
in Korea 1590 erschöpfte die Reserven der Ming.
Während
der letzten Periode der Ming-Herrschaft entstanden auf dem Seeweg
die ersten Beziehungen zwischen China und der westlichen Welt.
Zunächst kamen die Portugiesen 1514 nach China. Bis 1557 hatten
sie bereits eine Handelsstation auf Macao eingerichtet. Nach 1570
begann der Handel zwischen China und den spanischen Siedlungen
auf den Philippinen. 1619 ließen sich die Holländer in Taiwan
nieder und nahmen von den nahe gelegenen Pescadores-Inseln Besitz.
In der Zwischenzeit, in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
waren jesuitische Missionare aus Europa bis nach China gelangt
und begannen mit der Verbreitung weltlicher Kenntnisse und des
Christentums. Durch ihre Weisheiten und Lehren gewannen die Jesuiten
zwar bald Respekt und nahmen ehrwürdige Positionen am Hof der
Ming ein, doch in Fragen des individuellen Verdienstes und der
sozialen Rangfolge blieben die neokonfuzianischen Gelehrten entscheidende
Ratgeber am Hof. Die Jesuiten waren nicht in der Lage, das Christentum
oder westliche wissenschaftliche Gedankengüter in China zu implementieren.
Der
Niedergang der Ming wurde durch eine Rebellion eingeleitet, die
in der Provinz Shaanxi ihren Ausgang nahm. Die Regierung konnte
in einer Zeit der Hungersnöte und Arbeitslosigkeit keine Abhilfe
in der Region schaffen. Als die Rebellen 1644 Peking erreichten,
standen die besten Truppen der Ming an der Chinesischen Mauer,
um das Land gegen die Invasion der Mandschu zu verteidigen. Dieser
tungusische Stamm hatte kurz vorher in der Mandschurei die Macht
übernommen. Der Befehlshaber der Ming entschloss sich, die Hilfe
der Mandschu anzunehmen, um gegen die Rebellen in der Hauptstadt
vorgehen zu können. Sobald diese Zusammenarbeit in die Tat umgesetzt
war, weigerten sich die Mandschu Peking wieder zu verlassen und
zwangen die Ming dazu, sich nach Südchina zurückzuziehen. Hier
versuchten die Ming erfolglos, ihre alte Herrschaft wieder aufzubauen.
Die
Mandschu- oder Ch’ing-Dynastie (1644-1912)
Unter
den Mandschu erreichte das chinesische Kaiserreich seine höchste
Blüte in seiner 2 000 Jahre währenden Geschichte. Kurz
danach brach es jedoch zusammen, teils wegen interner Probleme,
teils wegen des vom Westen ausgeübten Druckes auf das Land. Als
Herrscher von China übernahmen die Mandschu die chinesische Kultur
in weiten Bereichen. Ihre politische Organisation basierte auf
den Strukturen aus der Ming-Zeit, wobei jedoch ein höheres Maß
an Zentralisierung aufgebaut wurde. Der Zentralregierung stand
eine neue Einrichtung, der so genannte Große Rat, vor. Dieser
befasste sich mit den militärischen und politischen Fragen des
Staates und war dem Kaiser unmittelbar rechenschaftspflichtig.
Die wichtigsten Büros in der Hauptstadt waren sowohl mit einem
chinesischen als auch mit einem Mandschu-Vorstand besetzt. Die
traditionelle Bürokratie und die Einstellungsprüfungen für den
öffentlichen Dienst gründeten nach wie vor auf den Kenntnissen
und Maximen des Konfuzianismus.
Gegen
Ende des 17. Jahrhunderts hatten die Ch’ing alle oppositionellen
Ming beseitigt und eine Rebellion niedergeschlagen, die von chinesischen
Generälen angeführt worden war, die zuvor mit den Mandschu kooperiert
hatten und denen halbautonome Gebiete im Süden des Landes zugesprochen
worden waren. In der Mitte des 18. Jahrhunderts, während
der Herrschaft des Kaisers Ch’ien Lung, erreichte die Dynastie
der Mandschu ihre größte Macht. Die Mandschurei, die Mongolei,
Singkiang und Tibet waren unter sicherer chinesischer Kontrolle.
Selbst Nepal stand unter chinesischem Einfluss.
Die
Aufrechterhaltung der Ordnung im Land, welche die Mandschu bekräftigen
konnten, brachte China im 18. Jahrhundert langen Frieden
und wirtschaftliche Blüte. Die Bevölkerung verdoppelte sich in
dieser Periode, aber die Produktion konnte damit nicht Schritt
halten. Am Ende des 18. Jahrhunderts verschlechterte sich
der wirtschaftliche Stand der Bauern. Die finanziellen Reserven
der Regierung waren durch die Expansionen im Ausland drastisch
verringert und gegen Ende der Herrscherzeit von Ch’ien Lung hatte
auch die Korruption in den öffentlichen Ämtern Fuß gefasst. Die
Truppen der Mandschu waren in ganz China stationiert und belasteten
die Wirtschaft ebenfalls. Da sie in langen Friedenszeiten lediglich
ihren Dienst in den Kasernen ausübten, waren sie kaum in der Lage,
tatsächliche Verteidigungsaufgaben zu übernehmen.
Die
Handelsbeziehungen mit dem Westen wurden von den Mandschu widerwillig
geduldet. Der Handel mit dem Ausland war jedoch auf den Hafen
von Kanton beschränkt, und die ausländischen Kaufleute konnten
den Handel nur mit einer begrenzten Anzahl chinesischer Kaufleute
abwickeln, die allgemein als Cohong bekannt waren. Die aktivsten
Handelsnationen zur damaligen Zeit waren Großbritannien, Frankreich
und die Vereinigten Staaten, wobei Großbritannien mit Abstand
die meisten Handelsgeschäfte tätigte. Anfänglich war die Handelsbilanz
Chinas sehr günstig, denn Großbritannien importierte große Mengen
Tee und bezahlte in Silber. Um diese Bilanz für Großbritannien
günstiger zu gestalten, führten britische Kaufleute um 1780 aus
Indien das Opium nach China ein. Bis 1800 hatte sich der Opiummarkt
etabliert und die Handelsbilanz wendete sich zugunsten von Großbritannien.
Der aufgrund des wachsenden Opiumhandels groß angelegte Abfluss
von chinesischem Silber erschwerte die steuerlichen Schwierigkeiten
der Ch’ing-Regierung.

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