Buddha:
Sein Leben und seine Lehre
Die
Lebensdaten des historischen Buddha können nur ungefähr angegeben
werden. Wahrscheinlich lebte und wirkte er im 5. bis 4. Jahrhundert
v.Chr. Nach einmütiger Überlieferung ging er in seinem 80.Lebensjahr
ins Nirvana ein. Entsprechend der Theravadatradition, der die
Buddhisten Sri Lankas, Thailands, Birmas und Kambodschas anhängen,
fand dieses Ereignis im Jahr 544/543 v.Chr. statt. Das würde
bedeuten, dass der Buddha im Jahr 623 v.Chr. geboren wurde.
Dieses Datum wurde von den westlichen Gelehrten sehr bald angezweifelt,
da nach den ceylonesischen Pali-Chroniken der große Mauryaherrscher
Ashoka 218 Jahre nach dem Nirvana des Buddha zum König geweiht
worden sein soll. Nach Quellen der nördlichen Buddhisten fand
die Krönung sogar schon 100 Jahre nach dem Nirvana des Buddha
statt. Die Krönung Ashokas wird aufgrund der Gleichzeitigkeit
mit drei hellenistischen Diadochenherrschern in Vorderasien
und der relativen Chronologie in seinen Inschriften auf 268/267
v.Chr. datiert. Die Kombination dieser Quellen würde entweder
486 v.Chr. oder 368 v.Chr. als Datum des Nirvana des Buddha
ergeben.
Keines dieser Daten kann allerdings als ganz sicher
gelten. Die aufgrund der ceylonesischen Überlieferung errechnete
Lebenszeit des Buddha von etwa 560 bis 480 v.Chr, die lange
als das erste feste Datum in der Geschichte Indiens galt, wurde
durch neuere Forschungen widerlegt. Damit wurden aber auch alle
anderen durch die Gleichzeitigkeit mit dem Buddha errechneten
Datierungen, zum Beispiel die des Mahavira, des Begründers des
Jinismus, der Könige Bimbisara und Ajatashatru von Magadha sowie
Prasenajits von Kosala, außer Kraft gesetzt.
Das Leben des Buddha ist ausführlich überliefert. Da er aus
dem Nordosten des indischen Subkontinents stammt und dort von
Ort zu Ort gezogen ist, wirft die buddhistische Literatur viel
Licht auf diesen Raum und die Herrscher dieser Zeit. Der Buddha
entstammte dem Kshatriyageschlecht der Shakya, woher auch sein
Beiname Shakyamuni abgeleitet ist. Sein Eigenname war Siddhartha
und der Familienname Gautama, weshalb er auch oft Gautama Buddha
genannt wird. Er wurde im Hain Lumbini bei der Stadt Kapilavastu
geboren, im heutigen Teraigebiet in Nepal. Die Adelsrepublik
der Shakya wurde parlamentarisch regiert. Gewählte Vertreter
der adligen Oberschicht entschieden über Staatsgeschäfte und
Verwaltungsangelegenheiten. An ihrer Spitze stand ein aus ihren
Reihen gewählter Vorsitzender, der den Titel Raja führte. Bis
zum Alter von 29 Jahren verbrachte Siddhartha ein angenehmes
Leben in höfischem Luxus. Er war mit einer Prinzessin verheiratet
und hatte einen Sohn. In seinem 29.Lebensjahr, so heißt es in
der Legende, wurde der spätere Buddha durch den Anblick eines
Kranken, eines Alten und eines Toten an die Vergänglichkeit
des menschlichen Lebens und aller weltlichen Güter erinnert.
Nach der Begegnung mit einem Bettelmönch folgte er dessen Vorbild,
zog nach der traditionellen Formulierung »in die Hauslosigkeit«
(pravrajya) und wurde auf der Suche nach der erlösenden Erkenntnis
zum Wanderasketen. Auf seiner Wanderschaft traf er zwei Yogalehrer,
von denen er lernte, mittels ekstatischer Praktiken die äußere
Erscheinungswelt zu überwinden. Doch er stellte fest, dass er
sich jedes Mal, wenn er aus der Versenkung heraustrat, nicht
geändert hatte. Deshalb entschloss er sich, strengste Askese
zu üben. Auch diese
Bemühungen
waren fruchtlos. Nachdem er, fast verhungert, wieder Nahrung
zu sich genommen und sich unter einem Feigenbaum (Ficus religiosa,
Bodhibaum) bei Bodh Gaya zur Versenkungsübung niedergelassen
hatte, erkannte er im Alter von 35 Jahren die Wahrheit des Mittleren
Weges, der alle Extreme meidet, und erreichte die Erleuchtung.
Er verwirklichte in sich das Nirvana, das »Verlöschen« von Gier,
Hass und Verblendung und von allem Anklammern an das Dasein.
Damit wurde er zum Buddha, zum »Erleuchteten«, und war von allen
Formen weltlicher Bindung, von Leiden, Tod und Wiedergeburt
befreit. Er erkannte, dass der Glaube an einen unveränderlichen,
ewigen Wesenskern, an ein Ich, ein Irrglaube ist. Der Tod bedeutete
für ihn nur noch das Aufhören der Körperfunktionen.
Nach der Erleuchtung zog der Buddha nach Varanasi und teilte
im Gazellenhain in Sarnath bei Varanasi fünf ihm bekannten Asketen
seine Erkenntnis mit. Diese Asketen waren früher Gefährten des
Buddha in der Wahrheitssuche gewesen, hatten sich jedoch von
ihm abgewandt, als er die strenge Askese aufgegeben hatte. Sie
bekehrten sich nun alle zur Lehre des Buddha, traten als erste
Mönche dem Orden des Buddha bei, erlangten für sich die Erkenntnis
und wurden zu Heiligen (Arhat). Die erste Predigt ist bekannt
als die erste »Drehung des Rades der Lehre« (Dharmacakrapravartana).
In ihr führte der Buddha aus, dass weder die Hingabe an die
Sinnesgenüsse noch die übertriebene Selbstpeinigung, sondern
allein der Mittlere Weg zum Heil führe. Er verkündete die Vier
Edlen Wahrheiten: die Wahrheit, dass alles Dasein Leiden ist,
die Wahrheit von der Entstehung des Leidens aus der Gier, die
Wahrheit von der Aufhebung des Leidens durch Sichbefreien von
der Gier und die Wahrheit von dem zur Aufhebung des Leidens
führenden Edlen Achtfachen Weg. Dieser beinhaltet rechte Anschauung,
rechte Gesinnung, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechten Lebensunterhalt,
rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechtes Sichversenken.
Es ist nicht mit Sicherheit bekannt, in welcher Sprache der
Buddha lehrte. Gewiss hat er seine Lehre nicht in Sanskrit,
der brahmanischen Literatursprache, verkündet. Da er im Nordosten
Indiens wirkte, wird als wahrscheinlich angenommen, dass er,
um vom Volk verstanden zu werden, einen Dialekt dieser Gegend
benutzte.
Bis zu seinem Tod zog der Buddha, die von ihm gefundene Wahrheit
verkündend, durch den Nordosten Indiens. Im Alter von 80 Jahren
starb er in Kushinagara, im heutigen indisch-nepalischen Grenzgebiet.
Wie andere Asketengemeinschaften der Zeit bildeten auch die
Anhänger des Buddha einen Orden, der sich aus Mönchen und Nonnen
zusammensetzte, dem ein über den ganzen Nordosten verstreuter
Kreis von Laienanhängern und Laienanhängerinnen gegenüberstand.
Diese vier »Versammlungen« bildeten die buddhistische Gemeinde
(Sangha).
Die
Geschichte der ersten Gemeinde
Die vom Buddha verkündete Lehre (Dharma) ist vor allem eine
praktische Erlösungslehre, in der alle philosophischen Spekulationen
abgelehnt werden. Philosophische Lehren finden nur insoweit
Berücksichtigung, als sie die Verstrickung in den Geburtenkreislauf
und den Weg aus ihm zu erklären helfen.
Die älteste Überlieferung der Lehre des Buddha erfolgte mündlich.
Einen Nachfolger, der die Gemeinde nach seinem Tod führen sollte,
hatte der Buddha aber nicht ernannt. Die von ihm verkündete
Lehre und ein Rechtsbuch für den Sangha sollten von nun an die
Autoritäten sein. Durch das Fehlen einer Persönlichkeit, die
die authentische Interpretation der Lehre geben oder Fragen
eindeutig beantworten konnte, die bei Entscheidungen des Gemeinderechts
oder der Dogmatik auftraten, wurde die Einheit des Sangha bald
durch innere Streitigkeiten gefährdet. Der Festlegung der kanonischen
Texte und der Entscheidung von Streitfragen dienten mehrere
Konzile. Schon kurz nach dem Tod des Buddha soll in Rajagriha
ein Konzil von 500 Mönchen stattgefunden haben. Bei ihm sollen
das Rechtsbuch des Sangha sowie die Lehrreden des Buddha zusammengestellt
und festgelegt worden sein. Hundert Jahre nach dem Nirvana des
Buddha soll in Vaishali ein zweites Konzil einberufen worden
sein, bei dem über Missbräuche verhandelt wurde, die bei den
Mönchen von Vaishali aufgetreten waren. Die Beschlüsse dieses
Konzils wurden aber nicht allgemein anerkannt. Die Streitigkeiten
führten im Laufe der Jahrhunderte zur Entwicklung verschiedener
Schulrichtungen, die auch unterschiedliche Kanons anerkannten.
Am besten erschlossen und als einziger buddhistischer Kanon
vollständig in der Originalsprache (Pali) erhalten ist der Pali-Kanon,
der im 1.Jahrhundert v.Chr. in Sri Lanka schriftlich fixiert
wurde. Er setzt sich wie die aus anderen Überlieferungszweigen
bekannten kanonischen Sammlungen aus drei »Körben« zusammen
und wird deshalb »Dreikorb« (Tripitaka) genannt. Diese drei
Körbe sind das »Rechtsbuch des Sangha« (Vinayapitaka), in dem
das Disziplinarrecht des Ordens, Beichtformular und Formulare
für das Gemeindeleben enthalten sind, der »Korb der Lehrreden«
(Sutrapitaka), in dem vor allem die Reden des Buddha gesammelt
sind, und der »Korb der Dogmatik« (Abhidharmapitaka), der aus
scholastischen Lehrdarlegungen, Listen buddhistischer Lehrbegriffe
und ihrer Kommentierungen besteht.
Aufgaben und Pflichten der Mönche und Laienanhänger
In den buddhistischen Orden, den Sangha, wurden grundsätzlich
Angehörige aller Kasten aufgenommen, obwohl tatsächlich die
Anhänger der oberen Kasten zahlenmäßig überwogen. So waren zum
Beispiel zwei Hauptschüler des Buddha, Shariputra und Maudgalyayana,
Brahmanen.
Zu Lebzeiten des Buddha verliefen die Bekehrungen gewöhnlich
folgendermaßen: Der Buddha erteilte dem Kandidaten eine stufenweise
Unterweisung über das Spenden, die rechte Sittlichkeit, über
die Vergänglichkeit der Sinnesfreuden. Wenn der Kandidat dadurch
geistig vorbereitet war, eröffnete der Buddha ihm die Lehre
von den Vier Edlen Wahrheiten. Dadurch gewann der Kandidat die
Erkenntnis von der Vergänglichkeit allen Seins. Nun bat er den
Buddha, entweder als Laienanhänger anerkannt oder in den buddhistischen
Orden aufgenommen zu werden.
Zum
Laienanhänger wurde man, indem man seine Zuflucht zum Buddha,
zur Lehre, dem Dharma, und zum Sangha nahm und sich verpflichtete,
bestimmte Sittlichkeitsregeln einzuhalten, nämlich sich des
Tötens, des Diebstahls, der Unkeuschheit, der Lüge, des Genusses
von Rauschmitteln zu enthalten. Die Laienanhänger unterstützten
die Mönche und Nonnen durch ihre Spenden von Nahrung, Kleidung
und Gebrauchsgütern wie Stühlen, Schlafstätten und Arzneien.
Durch diese verdienstvolle Spendentätigkeit und eine gute Lebensführung
erlangten die Laienanhänger nicht nur Wohlstand und Glück im
jetzigen Leben, sondern auch eine gute Wiedergeburt. Die Aufgabe
der Mönche war es, den Laien die buddhistische Lehre zu erläutern
und ihnen durch Annahme der Spenden zu der erwähnten guten Tatvergeltung
zu verhelfen.
Mönche und Nonnen unterschieden sich von den Laienanhängern
durch ihre Kleidung, ihre Lebensweise und ihr religiöses Ideal.
Sie trugen das gelbe oder rötliche Mönchsgewand, schoren ihre
Haare und lebten in Entsagung und Loslösung von allen weltlichen
Genüssen und Gütern als Wanderasketen. Das Leben der Mönche
war streng geregelt. Sie verbrachten die Tage in Meditation
und Belehrung der Schüler oder mit geistlichen Gesprächen. Außer
seinen drei Gewändern und weiteren sieben Bedarfsgegenständen,
einer Bettelschale, einem Gürtel, einem Rasiermesser, einer
Nadel, einem Sieb, einem Stab und einem Zahnstocher, durfte
der Mönch nichts besitzen. Er lebte von der Nahrung, die er
sich während seines morgendlichen Almosengangs erbettelte und
die er noch vor Mittag zu sich nehmen musste. Der Genuss von
berauschenden Getränken war verboten, ebenso wie der von Fleisch
und Fisch, wenn die Tiere nur für den Mönch, für den die Speisung
bestimmt war, getötet wurden. Es war den Mönchen erlaubt, Einladungen
zum Essen in die Häuser der Laienanhänger anzunehmen. Die Wohnung
eines Mönchs musste nicht an einem festen Ort sein. Er konnte
sich im Wald, in der Bergeinsamkeit oder auch in der Nähe eines
Dorfes oder einer Stadt aufhalten. Nur während der Monate der
Regenzeit mussten die buddhistischen Mönche an einem festen
Ort bleiben. Diese Gebäude wurden dem Orden von Königen und
wohlhabenden Kaufleuten zur Verfügung gestellt.
Zu Lebzeiten des Buddha wurde die Aufnahmezeremonie in den Mönchsorden
in sehr einfacher Form vollzogen. Der Kandidat, der die Lehre
erkannt hatte, bat darum, in der Gegenwart des Buddha in die
»Hauslosigkeit« gehen, das heißt das Leben eines Asketen führen
zu dürfen und ihm die Mönchsweihe (upasampada) zu gewähren.
Mit der Formel »Komm, Mönch; die Lehre wurde gut dargelegt,
übe den reinen Wandel, um dem Leiden ein endgültiges Ende zu
setzen!« wurde er in den Mönchsorden aufgenommen. Die Verpflichtungen,
die ein Mönch bei der Weihe einging, banden ihn nicht für sein
ganzes Leben. Er konnte den Orden jederzeit wieder verlassen
und in den Laienstand zurückkehren.
Schon bald nach dem Nirvana des Buddha wurde der Eintritt in
den Orden mit zwei feierlichen Handlungen vollzogen, mit der
Weltflucht (pravrajya), das heißt dem Verlassen der Familie
und der Aufgabe aller weltlichen Bindungen, wozu man ab dem
achten Lebensjahr zugelassen war, und mit der Mönchsweihe, die
nicht vor dem 20.Lebensjahr erteilt werden konnte. Die Mönchsweihe
wurde durch rituelle Texte und Formulare bis in das kleinste
Detail geregelt.
Der
Jinismus
Ein Zeitgenosse des Buddha war Vardhamana Mahavira (Vardhamana
bedeutet »Wachsender«, Mahavira »großer Held«), der Erneuerer
der religiösen Lehre des Jinismus. Im Lebensweg der beiden gibt
es manche Parallele. Wie der Buddha war Mahavira ein Kshatriya;
er stammte aus Kundagama, einem Vorort von Vaishali im heutigen
Bihar. Nach dem Tod seiner Eltern verließ er mit 29 Jahren seine
Frau und seine Tochter, um als Asket durch Meditation und Selbstkasteiung
den Weg zur Erlösung zu finden. Nach zwölf Jahren erreichte
er die erlösende Erkenntnis: Er wurde zum »Sieger« (Jina) und
wanderte fortan bis zu seinem Tod, seine Lehre verkündend, durch
die Reiche der Gangesebene. Im Alter von 72 Jahren starb er
schließlich als Oberhaupt einer großen Anhängerschaft in Pava
in der Nähe von Rajagriha, der Hauptstadt von Magadha, den Fastentod.
Nach der Überlieferung saß er dabei im Lotossitz und rezitierte
die von ihm verkündete Lehre. Die Datierung des Mahavira ist
eng mit der des Buddha verbunden und dadurch ebenso unsicher.
Außerdem sind auch die Quellen der Jainas nicht einhellig hinsichtlich
der genauen Lebenszeit des Mahavira. Als Jaina werden die Anhänger
des Mahavira bezeichnet, was so viel wie »zum Jina gehörig«
bedeutet.
Die
ältesten Nachrichten, die wir über den Jinismus haben, stammen
aus den buddhistischen Schriften. Dort wird von häufigen Diskussionen
des Buddha mit Anhängern des Nirgrantha Jnatiputra über die
besonders strengen Auffassungen von Askese berichtet. Nirgrantha
(»von Fesseln Freier«) ist die Bezeichnung für Jaina-Mönche
und Nonnen und Jnatiputra der Name des Jina Mahavira. Dieser
wanderte durch dasselbe Gebiet wie der Buddha. Die Buddhisten
betrachteten die Jainas als rivalisierende Bewegung. König Bimbisara
von Magadha, der große Wohltäter des Buddha, gilt nach der Überlieferung
der Jainas auch als ein Verehrer des Jina Mahavira, ebenso wie
sein Sohn Ajatashatru. Insbesondere aber Udayin, der Sohn des
Ajatashatru, soll der Beschützer und Förderer der Lehre des
Jina gewesen sein. Der Jaina-Kanon wurde wie der buddhistische
Kanon lange nur mündlich überliefert und vermutlich erst im
5.Jahrhundert n.Chr. endgültig schriftlich niedergelegt. Inschriftlich
wird der Jinismus wie der Buddhismus zum ersten Mal in einem
Edikt des Mauryaherrschers Ashoka um die Mitte des 3.Jahrhunderts
v.Chr. erwähnt.
Der Jina Mahavira beanspruchte, der 24.Weltlehrer oder »Furtbereiter«
(Tirthankara, das heißt Auffinder einer Furt zur Befreiung aus
dem Strom des Geburtenkreislaufs) zu sein und wie seine Vorgänger
auf die Welt gekommen zu sein, um den Lebewesen den Weg zur
Erlösung zu predigen. Seine Vorläufer lebten allerdings mit
Ausnahme des 23. »Furtbereiters« Parshva(natha), der 250 Jahre
vor dem Tod des Mahavira im Alter von 100 Jahren gestorben sein
soll, in längst vergangenen und geschichtlich nicht mehr fassbaren
Weltperioden. Mahavira fasste wohl die Lehren einer schon bestehenden
asketischen Bewegung zu einem dogmatischen System zusammen.
Eine von ihm eingeführte Neuerung scheint die besonders strenge
Regel des Nacktgehens gewesen zu sein. Der Jinismus unterscheidet
sich vom Buddhismus durch sein viel radikaleres Asketentum der
Mönche und Nonnen, das im Fasten bis zum Tod den Höhepunkt eines
Asketenlebens sieht. Der Buddha lehnte dagegen, wie oben dargelegt,
die Selbstpeinigung ab und lehrte den Edlen Mittleren Weg. Beide
Lehren sind jedoch in derselben Zeit entstanden, in der viele
Menschen Weltabkehr suchten und die Sehnsucht nach Erlösung
groß war; sie wollen in erster Linie einen praktischen Weg zur
Erlösung zeigen.
Während der Buddha alle philosophische Spekulation ablehnte,
hat der Jina Mahavira ein voll entwickeltes philosophisches
System gelehrt. Nach seiner Lehre gibt es eine unendliche Zahl
von Einzelseelen, denen von Natur aus unbeschränktes Schauen,
unbeschränktes Erkennen, unbeschränkte Kraft und unbeschränkte
Wonne zukommt. Jedoch nur bei den Seelen, welche die Erlösung
erlangt haben, kommen diese Eigenschaften zu ihrer vollen Entfaltung.
Bei den übrigen sind sie durch die Verstrickung in den Geburtenkreislauf
gehemmt. Durch jede Betätigung in Gedanken, Worten und Werken
fließt nämlich in die Seele feine Materie ein, die als Karma
(»Tat«) bezeichnet wird; sie bindet die Seele an den Geburtenkreislauf.
Um die Erlösung aus dem Geburtenkreislauf zu erlangen, muss
einerseits verhindert werden, dass neues Karma in die Seele
einfließt, und andererseits bewirkt werden, dass bereits eingedrungenes
Karma vernichtet wird. Durch Vermeidung aller Gewalt gegen andere
Lebewesen, Ablösung der Sinne von allen äußeren Eindrücken und
Abbau aller Leidenschaften soll sich die Seele von allen weltlichen
Verstrickungen befreien und zu ihrer ursprünglichen Vollkommenheit
zurückkehren. Das beste Mittel, dies zu bewirken, ist den Jainas
zufolge Selbstkasteiung und Askese. Dadurch wird die Seele von
jeglichem Karma gereinigt und steigt zur höchsten Stätte des
Weltraums empor, wo sie im Zustand ewiger Seligkeit verharrt.
Wie für die Buddhisten lässt sich auch für die Jainas das Ziel
der Erlösung aus dem Geburtenkreislauf nur in der keuschen und
reinen Lebensführung eines Mönchs oder einer Nonne verwirklichen.
Die Jaina-Mönche verpflichten sich mit dem Eintritt in den Orden
zu einer lebenslänglichen strengen Regel, die aus den fünf Großen
Gelübden besteht. Das erste und wichtigste Gelübde ist das Gebot
der vollkommenen Schonung alles Lebendigen. Die übrigen Gelübde
betreffen das Verbot von Lüge und Diebstahl sowie die Gebote
von absoluter Keuschheit und Besitzlosigkeit. Die Laienanhänger
befolgen dieselben Gebote in abgemilderter Form.
Jinismus und Buddhismus stimmen darin überein, dass sie eine
moralische Weltordnung lehren, bei der alles Tun eine Vergeltung
durch Wiedergeburt nach sich zieht. Beide Religionen leugnen
die Existenz eines höchsten Wesens, das gute oder schlechte
Taten belohnt oder bestraft.
Der Brahmanismus
oder Hinduismus
Der Brahmanismus ist in Indien stets die vorherrschende Religion
gewesen, auch wenn er zeitweise in einigen Gebieten vom Buddhismus
und Jinismus etwas zurückgedrängt wurde. Er versteht sich als
eine Fortsetzung der vedischen Religion, wie sie in den Veda-Sammlungen,
den Brahmanas und Upanishaden niedergelegt worden war. Mit dem
wachsenden Erfolg, den ab der Mitte des 1.Jahrtausends v.Chr.
Bewegungen wie der Buddhismus und Jinismus hatten, versuchten
auch die Brahmanen ihre Religion zu erneuern. Um die gleiche
Zeit wie der Buddhismus im Nordosten entstand im Westen, von
der vorarischen Volksreligion beeinflusst, eine stark von ethischen
Werten geprägte Religion, die aber anders als Buddhismus und
Jinismus eine höchste Gottheit als letzten Urgrund der Welt
annahm. Diese Religion, die sich in gegenseitiger Durchdringung
von vedisch-brahmanischer Überlieferung und Volkskulten entwickelte,
wird Brahmanismus oder Hinduismus genannt, eine Bezeichnung,
die von Sindhu, dem Namen eines der großen Flüsse im Nordwesten
Indiens, abgeleitet ist. Die Überlieferung des Veda als höchste
Offenbarung sowie die vedischen Götter verloren an Bedeutung.
Eine den vedischen Anschauungen fremde Religiosität trat in
den Vordergrund. Nach der neuen Lehre fand man in der Vereinigung
mit der höchsten Gottheit die Erlösung aus dem Geburtenkreislauf,
in dem man nach der Lehre vom Karma, der fortwirkenden Tat,
durch immer neue Wiedergeburten gefangen war. Das System der
Kasten und Unterkasten wurde zur Grundordnung des sozialen Lebens.
Krishna, der Sohn des Vasudeva, der Führer des Hirtenstammes
der Yadava, war eng verbunden mit der Entstehung dieser Religion.
Er erscheint in der Gegend von Mathura (in Nordindien, an der
Yamuna) als ein vergöttlichter Hirtenheros und scheint mit dem
im Epos Mahabharata als großer Held gefeierten Krishna verschmolzen
zu sein. Mit Krishnas Hilfe konnten die Pandava im Mahabharata
den endgültigen Sieg erlangen. In der ins Mahabharata später
eingefügten Bhagavadgita (»Gesang des Erhabenen«) wird er als
höchster Gott und Verkünder erhabener Weisheit gepriesen. In
ihr, dem frühesten heiligen Text des Hinduismus, werden drei
Wege zur Erlösung aus dem Geburtenkreislauf gelehrt, nämlich
der Weg des pflichtgemäßen Handelns, der der Erkenntnis und
der der Bhakti, der rückhaltlosen, gläubigen Hingabe an einen
Gott. Durch diese Bhakti erlangt man letztendlich die erlösende
Vereinigung mit der Gottheit.
Der Gott Krishna wurde von den Brahmanen anerkannt und mit Vishnu,
einem alten vedischen Gott, gleichgesetzt. Im Veda wird Vishnu
mehrfach als Helfer Indras erwähnt. Er durchmisst mit drei Riesenschritten
die gesamte Dreiwelt, Erde, Luft und Himmel. In Vishnu gingen
mehrere volkstümliche Gottheiten und Heldengestalten auf, die
als seine »Herabstiege« (Avatara) bezeichnet wurden. In seinen
zehn Avataras erschien Vishnu jeweils auf der Erde, um die Menschheit
aus der Not zu erlösen und die bedrohte Weltordnung wiederherzustellen.
Neben Krishna wird auch Rama, der Held des Epos Ramayana, als
einer dieser Avataras angesehen.
Während Vishnu allgemein als wohlwollender, unermüdlicher Retter
der Welt gilt, hat der Gott Shiva einen grausamen und schrecklichen
Aspekt. Er entwickelte sich aus dem vedischen Gott Rudra (dem
»Schrecklichen«), dessen Vorstellung mit der eines vorarischen
Fruchtbarkeitsgottes verschmolz. In seinem kosmischen Tanz zerstört
er die ganze Welt. Daneben ist er jedoch auch ein großer Asket.
Er lebt als Yogi in der Waldeinsamkeit des Himalaya, nur mit
einem Tigerfell bekleidet, die Haare in einem Asketenknoten
hochgebunden, in dem ein Neumond befestigt ist. Er besitzt das
dritte Auge. Durch seine geistige Konzentration und Meditation
erlangt er die Macht zur Weltschöpfung. Shivas Gattin, die beispielsweise
unter Namen wie Durga (»die Schwerzugängliche«) oder Kali (»die
Schwarze«) bekannt ist, tritt ebenfalls in gütigen und schrecklichen
Aspekten auf.
Mit dem Wandel der Anschauungen über die Götter wandelte sich
auch der Kult. Das vedische Opferwesen blieb zwar bestehen.
An die Stelle des Feueropfers, das unabhängig von den Göttern
die gewünschte Wirkung erzwang, trat jedoch die Verehrung einer
persönlich vorgestellten Gottheit, der man Dienst und Ehren
erweist wie einer hoch gestellten Persönlichkeit. Den Göttern
wird nicht auf Opferplätzen gehuldigt, sondern in Tempeln. Der
Gott ist im Kultbild oder einem Symbol persönlich vertreten
und wird in dieser Form mit Blumenspenden, Opferspeisen, Waschungen
verehrt. Diese religiösen Übungen gelten dann als besonders
heilbringend, wenn sie an heiligen Orten ausgeführt werden,
die mit einer Gottheit verbunden sind.
Kennzeichen
des Zeitalters
Die Zeit ab etwa 600 bis 320 v.Chr. brachte eine Wende in der
sozialen Gliederung, in Kultur-, Geistes- und Religionsgeschichte
des alten Indien. Die Kastenordnung war fest etabliert. Mit
dem Auftreten der Reformbewegungen des Buddhismus und Jinismus
hatte sich der politische und geistige Mittelpunkt vom Pandschab
in die Gangesebene, vor allem in das Reich von Magadha, verlagert.
Während der Jinismus auch in der späteren Zeit überwiegend auf
Indien beschränkt blieb, entwickelten sich Buddhismus und Hinduismus
zu Weltreligionen. Magadha war das erste Königreich, dessen
Herrscher durch Zerstörung der kleinen Stammesfürstentümer eine
bewusste Eroberungs- und Ausdehnungspolitik betrieb. Diese Entwicklung
gipfelte im 3.Jahrhundert v.Chr. in der Entstehung des ersten
indischen Großreiches, des Königreichs der Maurya, in dem fast
der gesamte indische Subkontinent vereint war.
Buddha:
Sein Leben und seine Lehre
Die Berichte über das Leben des Buddha wurden schon sehr früh
legendenhaft ausgeschmückt. Wahrscheinlich lebte und wirkte
er im 5.-4.Jahrhundert v.Chr.; nach einmütiger Überlieferung
starb er in seinem 80.Lebensjahr nach dem Genuss einer verdorbenen
Speise bei Kushinagara - damit erreichte er die endgültige Erlösung
aus dem Geburtenkreislauf, das Parinirvana.
Der Buddha entstammte dem Fürstengeschlecht der Shakyas; daher
sein Beiname Shakyamuni (= der Weise aus dem Shakyageschlecht).
Sein Eigenname war Siddhartha, der Familienname Gautama, weshalb
er auch oft Gautama Buddha genannt wird. Seine Geburt im Lumbini-Hain
bei der Stadt Kapilavastu, im heutigen Terai-Gebiet in Nepal,
ist von Legenden umgeben. Da sein Vater eine hohe Position in
dieser Adelsrepublik einnahm, verbrachte Siddhartha bis zum
Alter von 29 Jahren ein angenehmes Leben in höfischem Luxus.
Er war verheiratet und hatte einen Sohn namens Rahula. In seinem
29. Lebensjahr wurde der spätere Buddha bei drei Ausritten durch
den Anblick eines Kranken, eines Alten und eines Toten an die
Vergänglichkeit des menschlichen Lebens und aller weltlichen
Güter erinnert. Als er bei einem vierten Ausritt einem Bettelmönch
begegnete, beschloss er, sich als Wanderasket auf die Suche
nach der erlösenden Erkenntnis zu begeben. Auf seiner Wanderschaft
traf er zunächst zwei Yogalehrer, von denen er lernte, mittels
ekstatischer Praktiken die äußere Erscheinungswelt zu überwinden.
Unzufrieden über das dadurch Erreichte entschloss er sich jedoch,
strengste Askese zu üben, doch auch diese Bemühungen waren fruchtlos.
Nachdem er wieder Nahrung zu sich genommen und sich unter einem
Pipalbaum (Ficus religiosa) zur Versenkungsübung niedergelassen
hatte, erkannte er im Alter von 35 Jahren die Wahrheit des Mittleren
Weges und erreichte die höchste Erkenntnis. Er wurde zum »Erleuchteten«
(=Buddha): Er erkannte, dass alles, was entstanden ist, vergänglich
und der Glaube an einen unveränderlichen, ewigen Wesenskern,
an ein Ich, ein Irrglaube ist. Nach dieser Erkenntnis gab es
nichts mehr an ihm, was wieder geboren werden konnte, der Tod
bedeutete für ihn nur noch das Aufhören der Körperfunktionen.
Nach der Erleuchtung zog er nach Varanasi, wo er in einem Park
im heutigen Sarnath fünf Asketen, die sich zuvor von ihm abgewandt
hatten, als er die strenge Askese aufgab, das von ihm als wahr
Erkannte darlegte. Sie bekehrten sich nun alle zu seiner Lehre
und traten als erste Mönche dem Orden des Buddha bei, erlangten
für sich die Erkenntnis und wurden zu Arhats (= Heiligen). Die
ihm noch verbleibenden 45 Jahre wanderte der Buddha durch die
nordöstlichen Staaten Indiens und verkündete seine Lehre, das
Dharma. Seine erste Predigt wird die erste »Drehung des Rads
der Lehre« (Dharmacakrapravartana) genannt. In ihr verkündete
er die buddhistische Lehre, wie sie in den »Vier edlen Wahrheiten«
zusammengefasst ist: Alles ist Leiden in dem Sinne, dass sämtliche
psycho-physischen Erscheinungen Leiden sind. Der Mensch ist
zusammengesetzt aus den fünf Daseinsgruppen Körperlichkeit,
Empfindung, Wahrnehmung, Willensregungen und Bewusstsein. Diese
sind, da sie aus Ursachen hervorgehen, bedingt. Sie weisen die
»drei Merkmale des Bedingten« auf: Entstehen, Vergehen sowie
Bestehen-und-Wandel.
Der Ursprung des Leidens ist das Begehren. Alle Erscheinungen
des Daseins, die Daseinsgruppen, die Grundlagen des Bewusstseins
und die Elemente, sind vergänglich, leidvoll und »leer« von
einem Selbst und von allem, was zu einem Selbst gehört, aber
sie treten nicht zufällig auf; sie haben ihren Ursprung im Begehren.
Ihr Erscheinen und Vergehen folgt dem Gesetz des bedingten Entstehens,
nach dem das Entstehen vom Karma, der Tat, und die Tat von der
Leidenschaft herrührt. Der dadurch verursachte Geburtenkreislauf
ist anfangslos und besteht aus einer unendlichen Folge von Geburt,
Altern, Sterben und Wiedergeburt.Es gibt jedoch ein Nirvana,
ein Ende des Leidens, ein Vergehen der fünf Daseinsgruppen,
das als Befreiung vom Werden betrachtet wird. Es bedeutet höchstes
Glück, Freiheit von Geburt, Krankheit, Alter und Tod.
Zum Nirvana führt der von Buddha aufgezeigte edle achtfache
Weg, der sich aus folgenden Gliedern zusammensetzt: rechte Anschauung,
rechte Gesinnung, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt,
rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechtes Sichversenken.
Dieser Weg zur Aufhebung des Leidens lässt sich auf drei Grundelemente
zurückführen: Sittlichkeit, Sammlung und Wissen. Die Sittlichkeit
besteht vor allem aus dem Vermeiden der zehn heilswidrigen Handlungsweisen,
welche das Töten, Diebstahl, falsches Verhalten in sexueller
Hinsicht, Lüge, grobe, verleumderische, törichte und nutzlose
Rede, Begehrlichkeit, Übelwollen und falsche Lehransichten umfassen.
Mit Sammlung ist die Konzentration des Geistes auf einen Punkt
gemeint; sie ist in neun aufeinander folgende Stufen der Meditation
geteilt, und das Wissen ist das letzte und wichtigste Element
des Pfades. Dabei handelt es sich um die klare und präzise Einsicht,
die die »Vier edlen Wahrheiten«, nämlich die Vergänglichkeit,
das Leiden, die Unpersönlichkeit der aus Ursachen entstandenen
Phänomene sowie den Frieden des Nirvana, beinhaltet. Der Buddha
lehrte, dass weder die Hingabe an die Sinnesgenüsse noch die
übertriebene Selbstpeinigung zum Heil führt, sondern der mittlere
Weg. So ist denn die systematische Meditation über die »Vier
edlen Wahrheiten« ist eine wesentliche Aufgabe im Leben eines
jeden Buddhisten. Die vom Buddha verkündete Lehre war vor allem
eine praktische Erlösungslehre, in der alle philosophische Spekulationen
abgelehnt wurden. Philosophische Aspekte fanden nur insoweit
Berücksichtigung, als sie die Verstrickung in den Geburtenkreislauf
und den Weg aus ihm zu erklären halfen.
Es ist nicht mit Sicherheit bekannt, in welcher Sprache der
Buddha lehrte. Gewiss hat er seine Lehre nicht in Sanskrit,
der brahmanischen Literatursprache, verkündet. Da er überwiegend
in Magadha im Nordosten Indiens wirkte, wird als wahrscheinlich
angenommen, dass er, um vom Volk verstanden zu werden, einen
Dialekt dieser Gegend benutzte. Dies bedeutet, dass alle erhaltenen
Versionen des buddhistischen Kanons mehr oder weniger überarbeitete
Fassungen der ursprünglichen Lehre sind. Die Sanskritisierung
der kanonischen Texte begann etwa im 1.Jahrhundert v.Chr. Die
älteste Überlieferung der Lehre erfolgte mündlich. Als der Buddha
ins Nirvana einging, hinterließ er einen ihm treu ergebenen
Orden (die buddhistische Gemeinde, der Sangha), der sich aus
Mönchen und Nonnen zusammensetzte. Ihm standen die männlichen
und die weiblichen Laienanhänger gegenüber. Diese vier »Versammlungen«
bildeten die buddhistische Gemeinde im weiteren Sinne. Zum Laienanhänger
wurde man, indem man seine Zuflucht zum Buddha, zum Dharma und
zum Sangha nahm und sich verpflichtete, bestimmte Sittlichkeitsregeln
einzuhalten, nämlich sich des Tötens, des Diebstahls, der Unkeuschheit,
der Lüge und des Genusses von Rauschmitteln zu enthalten. Die
Laienanhänger unterstützten die Mönche und Nonnen durch Spenden
aller zum Lebensunterhalt notwendigen Dinge. Aufgabe der Mönche
war es, den Laien die buddhistische Lehre zu erläutern und ihnen
durch Annahme der Spenden zu einem glücklichen diesseiteigen
Leben und einer guten Wiedergeburt zu verhelfen. Mönche und
Nonnen unterschieden sich von den Laienanhängern durch ihre
Kleidung, ihre Lebensweise und ihr religiöses Ideal. Sie trugen
das gelbe oder rötliche Mönchsgewand, schoren ihre Haare und
lebten als Wanderasketen. Ihr Leben war streng geregelt. Sie
verbrachten die Tage in Meditation und Belehrung der Schüler
oder mit geistlichen Gesprächen und lebten von der Nahrung,
die sie sich täglich während ihres morgendlichen Almosengangs
erbettelten und die sie noch vor Mittag zu sich nehmen mussten.
Einladungen zum Essen in die Häuser der Laienanhänger anzunehmen
war jedoch erlaubt. Die Wohnungen der Mönche oder Nonnen mussten,
außer in der Regenzeit, nicht an einem festen Ort sein. Die
Klöster, in denen sich der Orden zur Regenzeit versammeln konnte,
wurden dem Orden von Königen und wohlhabenden Kaufleuten geschenkt.
Der Buddha hatte keinen Nachfolger ernannt, da die von ihm verkündete
Lehre und das Rechtsbuch für den Sangha nach seinem Eingang
ins Nirvana die Autoritäten sein sollten. Da jedoch die Einheit
des Sangha wegen Streitigkeiten in Fragen der Lehrauslegung
und Rechtsdeutung schon bald gefährdet war, wurden mehrere Konzile
durchgeführt, die der Festlegung der kanonischen Texte und der
Entscheidung von Streitfragen dienten.
Buddha
als Lehrer
Nachdem Buddha sich entschlossen hatte, das von
ihm entdeckte und vervollkommnete Dharma (Gesetz) zu verkünden,
begab er sich zunächst zu seinen ehemaligen Schülern
nach Benares (Varanasi). Von seiner Ernsthaftigkeit überzeugt,
akzeptierten sie ihn als Lehrer und folgten ihm als Mönche.
Wenig später hielt Buddha den ersten Lehrvortrag, die „Predigt
von Benares", die auch als buddhistische Bergpredigt bezeichnet
wird und die Grundgedanken des Buddhismus enthält.
In Begleitung seiner Schüler reiste Buddha durch das Gangestal,
verkündete seine Lehre, sammelte Anhänger um sich
und gründete Brudergemeinschaften, die Mitglieder ungeachtet
ihres sozialen Status aufnahmen. Kurzzeitig kehrte er in seine
Heimatstadt zurück, um seinen Vater, seine Frau und andere
Familienangehörige zu bekehren. Ein wohlhabender Gönner
finanzierte den Bau eines Klosters in Savatthi (Sanskrit: Sravasti),
das von nun an den Hauptsitz Buddhas und das Zentrum seiner
Lehrtätigkeit bildete. Weitere Stätten entstanden
in den Orten entlang des Ganges.
Höhen und Tiefen prägten Gautamas lange Laufbahn als
Lehrer und Führer. Rivalisierende religiöse Gruppen
kritisierten ihn und seine Lehre. Devadatta, ein Vetter und
Schüler Buddhas, sann auf Rache, als es ihm nicht gelang,
die Leitung der Mönchsgemeinschaft (sangha) zu übernehmen.
Buddhas
Tod
Nach einem erfüllten Leben als Prediger starb Buddha achtzigjährig
in Kusinagara (Nepal) an einer Lebensmittelvergiftung. Obwohl
er sein baldiges Ende voraussah, lehnte er es ab, genaue Anweisungen
bezüglich der zukünftigen Organisation und Verkündigung
seiner Lehre zu erteilen. Er beharrte vielmehr darauf, seinen
Anhängern die zur Erlangung des Heiles notwendigen Schritte
bereits vermittelt zu haben. Eine Reihe von Darstellungen zeigen
Buddha auf seinem Totenbett, umgeben von trauernden Tieren und
Menschen. Seine sterblichen Überreste wurden eingeäschert
und in acht Stupas aufbewahrt.
Dr.
Siglinde Dietz, Göttingen
