
[Sanskrit
»der Erwachte«, »der Erleuchtete«], Ehrentitel des Siddhartha
Gau tama (Pali: Siddhattha Gotama), des Stifters der nach ihm
Buddhismus genannten Religion, nach der Überlieferung *Lumbini
(Nepal) um 560 v.Chr., bei Kushinagara (heute Kasia) um 480
v.Chr. (nach neueren Forschungen auch 100 Jahre später); nach
der adligen Familie der Shakya, der er entstammte, wird er auch
als »Shakyamuni« (»Einsiedler der Shakya«) bezeichnet. Sein
Vater Shuddhodana war ein Fürst im Vorland des nepalesischen
Himalaja; seine Mutter, die kurz nach seiner Geburt starb, hieß
Maya. In Reichtum aufgewachsen, heiratete er sechzehnjährig
seine Kusine Yashodhara und hatte einen Sohn, Rahula. Im Bewusstsein
von Alter, Krankheit und Tod erkannte er mit 29 Jahren die Sinnlosigkeit
seines bisherigen Lebens und verließ die Heimat, um in der Fremde
Erlösung zu suchen.
Sieben Jahre übte er als Schüler verschiedener Meister harte
körperliche Askese, fand jedoch keine Erleuchtung. So wandte
er sich innerer Meditation zu; die Erleuchtung (Bodhi), nach
der er so lange gerungen hatte, wurde ihm in Uruvela bei Bodh
Gaya unter einem Feigenbaum zuteil. Im Gazellenhain in Sarnath
bei Benares begegnete er fünf Asketen, die sich früher nach
seiner Abwendung von der Askese von ihm getrennt hatten. Ihnen
galt seine erste Predigt, welche die Überlieferung das »In-Bewegung-Setzen
des Rades der Lehre« (Dharmacakrapravartana) nennt und die von
den »vier edlen Wahrheiten« spricht: vom Leiden (Duhkha),
seinem Ursprung, der Aufhebung seiner Ursache und dem Weg, der
zu diesem Ziel führt. Jene Asketen wurden die ersten Jünger
des Buddha; mit ihnen gründete er einen Orden (Samgha) von Bettelmönchen,
dem noch zu seinen Lebzeiten ein Nonnenorden zur Seite trat.
Die Mönche gehörten zumeist der Aristokratie oder dem Kaufmannsstand
an; daneben sammelte sich ein Kreis von Laienanhängern (Upasaka),
die ohne mönchische Askese in ihrem weltlichen Beruf blieben,
den Orden mit Geld unterstützten und die Zugehörigkeit zu brahmanischen
Kultgemeinschaften nicht aufzugeben brauchten. Der Buddha selbst
durchzog lehrend und werbend Nordindien und starb an der Grenze
von Nepal.
Eigene Schriften hat der Buddha nicht hinterlassen. Seine Predigten
wurden von seinen Jüngern erst mündlich, seit dem 1.Jahrhundert
v.Chr. auch schriftlich in dem später als heilige Sprache angesehenen
Pali überliefert. Welche Worte auf ihn selbst zurückgehen, ist
nicht sicher. Die Lehrtexte sind in erster Linie an der Heilswahrheit
interessiert und nicht an der geschichtlichen Gestalt des Buddha.
Die Lebensgeschichte des Buddha ist später mit Legenden über
seine wunderbare Geburt, seine Wunder, seine Erlebnisse in früheren
Existenzen (Jataka) ausgeschmückt worden. Entsprechend der indischen
Auffassung, dass es kein einmaliges historisches Geschehen gibt,
sondern dass sich ewig alles zyklisch wiederholt, glauben die
Buddhisten, dass auch vor Gautama Buddha in gewissen Abständen
schon Welterleuchter erschienen sind und dass in Zukunft wieder
ein neuer Buddha, Maitreya (Pali: Metteya), auftreten wird,
um die Lehre neu zu verkünden. Während die älteren Schulen nur
eine begrenzte Zahl von Buddhas annehmen, vertritt das Mahayana
die Ansicht, dass es unendlich viele Buddhas gibt und geben
wird, weil jeder Gläubige im Verlauf seiner zahllosen Wiederverkörperungen
schließlich ein Buddha werden kann. Der historische Buddha wird
hier neben zahlreichen anderen Buddhas und Bodhisattvas zu einem
Himmelswesen erhoben, einer Gottheit, die das Heil der Menschen
fördert, während sich der historische Buddha selbst als Lehrer
verstand, der anderen den Weg zu vollkommener Erkenntnis weisen
wollte.
In der buddhistischen Kunst des Hinayana wurde der Buddha seit
dem 2.Jahrhundert v.Chr. in Reliefszenen durch Symbole dargestellt:
Bodhibaum (»Baum der Erleuchtung« für die Erleuchtung), Dharmacakra
(»Rad der Lehre« für die Predigt), Stupa (Nirvana). Auf Abbildungen
der Vorexistenzen (Jataka) erscheint er auch in Tiergestalt.
Seine menschliche Darstellung entstand im 1.2.Jahrhundert in
der Mathurakunst und der Gandharakunst als Kultbild und in Szenenreliefs.
Sein Mönchsgewand, besondere Körpermerkmale (z.B. ein Auswuchs
auf dem Kopf, ein Haarbüschel zwischen den Augenbrauen, goldene
Hautfarbe), kurzes welliges oder gelocktes Haar, Nimbus und
bestimmte Gesten wurden für die ganze buddhistische Kunst Asiens
kanonisch, ebenso der liegende Buddha des Parinirvana.
Buddha:
Der Erleuchtete
Die Zeit von 600 bis 500 v.Chr. war für die Entwicklung der
indischen Kultur eine der entscheidenden Perioden. Um die Mitte
des 1.Jahrtausends v.Chr. bildeten sich im Nordosten Indiens
Oligarchien und kleine Königreiche mit Städten als Zentren,
in denen sich eine Stadtkultur entwickelte. Allerdings gibt
es aus dieser Zeit wie auch aus der vedischen Zeit außer der
»bemalten grauen Keramik« keine bedeutsamen archäologischen
Überbleibsel. Bis zum 3.Jahrhundert v.Chr. wurden überwiegend
Holz, Lehm und luftgetrocknete Ziegel für Bauten und Figuren
verwendet, wie wir aus den Berichten des Griechen Megasthenes
erfahren, der um 300 v.Chr. als Gesandter des Seleukos I. am
Hofe des ersten Mauryaherrschers Candragupta lebte. Aus dieser
Zeit stammen auch unsere ersten verlässlichen Datierungen. Für
die Darstellung der historischen und politischen Situation der
hier behandelten Periode dienen uns in erster Linie religiöse
Texte der Buddhisten und der Jainas als Quellen. Wie die Veden
wurden auch diese Texte zunächst durch Jahrhunderte mündlich
überliefert. Wie wir aus den ceylonesischen Chroniken in Pali-Sprache
wissen, wurde zum Beispiel der buddhistische Kanon der Theravadaschule
im 1.Jahrhundert v.Chr. schriftlich niedergelegt.
Die Oligarchien und das Machtzentrum
Magadha
Zu Beginn des 6.Jahrhunderts v.Chr. erstreckte sich das indoarische
Herrschaftsgebiet in Indien vom Pandschab bis nach Bengalen
und in Teile des Dekhan. Die Buddhisten, Jainas und Epen berichten
von sechzehn Großen Stammesstaaten (Mahajanapada), die wohl
zumindest teilweise aus Zusammenschlüssen früherer kleinerer
Stammesgebiete entstanden waren. Seit etwa 600 v.Chr. wurden
im mittleren Gangestal und im Nordwesten Städte gegründet, die
zu Hauptstädten dieser Großen Stammesstaaten wurden. Die besonderen
Merkmale der Gangesstädte gegenüber früheren Siedlungen der
Indoarier sind die Befestigungsanlagen, die anfangs aus Wassergräben,
Erdwällen und Palisaden bestanden. Seit etwa dem 5.Jahrhundert
v.Chr. waren die Erdwälle mit Ziegeln bedeckt oder wurden durch
Ziegelmauern ersetzt. Die Städte waren durch Überlandstraßen
oder an den Flussufern entlangführende Wege verbunden. Um 500
v.Chr. erscheinen auch erstmals Münzen, deren genormte Gewichte
auf einen hoch entwickelten Handel schließen lassen. »Nördliche
schwarz polierte« Keramikware war ein ebenso begehrtes Handelsobjekt
wie hochwertige Baumwollstoffe aus Kashi (Varanasi), Wollstoffe
und Edelsteine aller Art. Kaufleute sandten Karawanen über ganz
Indien und sogar über die Meere aus. Auch das Handwerk florierte,
und das religiöse Leben war sehr frei.
Um 600 v.Chr. waren einige der Großen Stammesstaaten als Republiken
organisiert. Sie wurden von wenigen Adelsfamilien oligarchisch
regiert. Zu diesen Staaten gehörten zum Beispiel die Republik
der Vriji von Videha mit Vaishali als Hauptstadt, die der Shakya
mit Kapilavastu, die der Malla von Papa und Kushinagara. Daneben
gab es vier Königreiche, die sich immer weiter ausdehnten und
deren Macht ständig wuchs. Dies waren die Königreiche von Avanti,
Vatsa, Kosala und Magadha, deren jeweilige Herrscher ihre Reiche
durch Eroberungen der Nachbarstaaten und kluge Heirats- und
Bündnispolitik zu stärken und zu vergrößern vermochten.
Avanti im westlichen Zentralindien mit seinen Hauptstädten Ujjain
und Mahishmati wurde zur Zeit des Buddha von Canda Pradyota
regiert. Er dehnte seinen Herrschaftsbereich bis nach Magadha
aus. Über das nördlich davon gelegene Königreich Vatsa regierte
Udayana, der nacheinander die Töchter der Könige von Avanti
und Magadha heiratete. Mit dem Königreich Kosala, das dem heutigen
Oudh entspricht, und seiner Hauptstadt Ayodhya ist die im Epos
Ramayana verherrlichte Sage von dem verbannten Prinzen Rama
und seiner Gattin Sita, Tochter des Herrschers von Videha, verbunden.
Zur Zeit des Buddha erstreckte sich Kosala im Süden bis Varanasi
und im Norden bis zum nepalesischen Terai, wo das Adelsgeschlecht
der Shakya regierte, aus dem der Buddha stammte. Herrscher über
Kosala war zu dieser Zeit König Prasenajit, der zu einem treuen
Laienanhänger und Freund des Buddha wurde. Er soll den Buddha
mehrmals am Tage aufgesucht haben, um sich in der buddhistischen
Lehre unterweisen zu lassen. Während eines dieser Besuche wurde
er von seinem Sohn Virudhaka abgesetzt und starb auf der Flucht
nach Rajagriha, der Hauptstadt Magadhas. Virudhaka versuchte
seinen Herrschaftsbereich zu erweitern, indem er die Adelsrepublik
der Shakya fast völlig vernichtete und sich ihres Gebietes bemächtigte.
Sein Reich erstreckte sich damit von Varanasi am mittleren Ganges
bis zum Himalaya.
Das
Königreich Magadha und der Nordosten
Das
mächtigste Reich zur Zeit des Buddha war Magadha, über das König
Bimbisara herrschte. Durch Heiratspolitik hatte er die Herrscherhäuser
von Kosala und Videha verwandtschaftlich an sich gebunden. Durch
seine eigene Heirat mit der Schwester König Prasenajits von
Kosala hatte er Teile des Gebietes um Varanasi dazugewonnen
und durch einen Sieg über den König von Anga (Bengalen) dessen
Herrschaftsbereich. Er wurde durch eine Predigt des Buddha zu
dessen Anhänger und Freund. Sein Reich scheint er mit fester
Hand regiert zu haben. Er baute Rajagriha zu seiner Hauptstadt
aus. Um die Verwaltung kümmerte er sich selbst und unternahm
häufige Inspektionsreisen. Nach 52 Regierungsjahren wurde er
von seinem Sohn Ajatashatru abgesetzt und festgenommen. Er starb
sieben Jahre vor dem Nirvana des Buddha in der Gefangenschaft
den Hungertod.
Ajatashatru musste seinen Thron zunächst durch einen Krieg mit
seinem Onkel König Prasenajit von Kosala verteidigen, der wegen
seiner Schwester, der Mutter Ajatashatrus, Ansprüche auf die
Herrschaft erhob. Ajatashatru verlor, wurde aber von Prasenajit
verschont und heiratete dessen Tochter. In der Folge verstand
er es, seine Herrschaft zu sichern und nach Norden hin auszudehnen,
indem er die Adelsrepublik Videha mit ihrer Hauptstadt Vaishali
eroberte. Diese Ereignisse fanden um die Zeit des Nirvana des
Buddha statt. Vaishali soll damals eine überaus wohlhabende
Stadt gewesen sein. Mit der Eroberung von Vaishali war die mächtigste
Republik, die aus einer Konföderation von Adelsgeschlechtern
bestanden hatte, untergegangen. Auch gegen König Canda Pradyota
von Avanti führte Ajatashatru einen Eroberungsfeldzug.
Die Berichte über die Eroberungen, Landgewinne und anderen politischen
Maßnahmen des Prasenajit, Bimbisara und seines Sohnes Ajatashatru
zeigen, dass diese drei Könige bestrebt waren, möglichst große
Teile der Gangesebene zu beherrschen. Daraus kann man schließen,
dass sie die ersten nicht nur mythischen Könige Indiens waren,
die an die Eroberung und Gründung eines möglichst großen Reiches
dachten.
Dass die Stadtstaaten und Königreiche im Nordosten Indiens um
die Mitte des 1.Jahrtausends v.Chr. wirtschaftlich florierten,
kann man den Erzählungen über zahlreiche Schenkungen von Königen
und reichen Bürgern an die verschiedenen Religionsgemeinschaften
entnehmen. So stiftete König Bimbisara von Magadha dem Buddha
und seinem Orden einen Park bei Rajagriha. Dort hielt sich der
Buddha bei seinen Besuchen in Rajagriha häufig auf. Ein reicher
Kaufmann stiftete dem Buddha einen Park bei Shravasti, in dessen
Nachbarschaft König Prasenajit von Kosala ein Kloster für den
Buddha errichten ließ. Auch anderen gegenüber erwies sich dieser
König als sehr freigebig.
Der Nordosten blieb weiterhin das Zentrum der altindischen Geschichte.
Udayin, der Sohn des Königs Ajatashatru, verlegte die Hauptstadt
von Magadha nach Pataliputra am Ganges, dem heutigen Patna,
das damals zur wichtigsten Stadt des alten Indien wurde und
über 700 Jahre das Zentrum indischer Großreiche bildete. Nach
buddhistischen Quellen hatte auch Udayin seinen Vater Ajatashatru
umgebracht, um an die Macht zu kommen. In den Jaina-Quellen
wird dies bestritten. In ihnen wird er als Förderer und gläubiger
Anhänger der Jainas gepriesen. Über das Schicksal Magadhas nach
dem Tod von König Udayin schweigen die buddhistischen und jainistischen
Quellen. Nach der früheren Datierung des Buddha, von der später
noch zu handeln sein wird, wurde die Zeitspanne von König Udayin
bis zur Nandadynastie als 150 Jahre errechnet. Nach heutigem
Wissen ist es wahrscheinlicher, dass es sich nur um eine Periode
von etwa 50 Jahren handelt, über die wir von der Entwicklung
in Magadha nichts wissen.
Als in der Mitte des 4.Jahrhunderts v.Chr. die Nandadynastie
die Herrschaft in Magadha übernahm, kontrollierte sie von der
Hauptstadt Pataliputra aus die gesamte Gangesebene sowie das
übrige Nordindien außer Rajasthan, Sind, dem Pandschab und dem
Nordwesten. Die früheren Reiche waren entweder aufgelöst oder
in den Status von unbedeutenden Vasallenstaaten abgesunken.
Mahapadma, der erste Nandakönig, soll der Sohn einer Shudrafrau
gewesen sein und soll die Kshatriya in seinem Reich ausgerottet
haben. Ihm folgten in der Herrschaft nacheinander seine acht
Söhne. Der Reichtum der Nanda, den sie in unersättlicher Geldgier
durch Eroberungen von fremden Völkern und durch hohe Abgaben
von ihrem eigenen Volk erworben hatten, wird sogar in südindischen
Quellen erwähnt.
Mit den Nanda wird die indische Geschichte zum ersten Mal etwas
deutlicher fassbar für uns, da wir dafür auch griechische und
römische Quellen besitzen. Über die niedrige Herkunft des ersten
Nandaherrschers berichtet zum Beispiel um die Zeitenwende der
römische Schriftsteller Curtius Rufus in seiner »Geschichte
Alexanders des Großen« (9, 2, 67). Er bezeichnet ihn als Sohn
eines Barbiers, der den König tötete und dessen Gemahlin heiratete.
Auch über die große Heeresmacht des ersten Nandaherrschers lesen
wir bei Curtius Rufus sowie den griechischen Schriftstellern
und Geschichtsschreibern Diodor (Historische Bibliothek 17,
93, 2) und Plutarch (Leben des Alexander 62). Allerdings stimmen
die Angaben der Heeresstärke in diesen Quellen nicht überein.
Die wichtigsten Eroberungen des Nandakönigs scheinen Kalinga
(Orissa), das Land südlich von Magadha, und andere Teile des
Dekhan gewesen zu sein. Aus den Thronfolgestreitigkeiten am
Ende der Nandazeit ging Candragupta siegreich hervor. Er wurde
um 320 v.Chr. der Begründer der Mauryadynastie, die mit Pataliputra
als Hauptstadt das erste nordindische Großreich beherrschte.
In seiner Blütezeit umfasste dieses Reich einen großen Teil
des indischen Subkontinents. Es wird an anderer Stelle behandelt
werden.
Die Achämeniden
und Alexander der Große in Indien
Über den Einfluss des altpersischen Herrschergeschlechts der
Achämeniden auf die Bildung der ersten größeren Staaten in Indien
wurde viel spekuliert. Im 6.Jahrhundert v.Chr. gab es im Nordwesten
des alten Indien zwei Reiche: Gandhara erstreckte sich entlang
dem Indus und umfasste im Westen den heutigen Distrikt von Kabul-Peshawar
in Ostafghanistan, mit der Hauptstadt Pushkalavati, und im
Osten
den Distrikt von Rawalpindi in Nordpakistan, mit Takshashila
als Hauptstadt. Kamboja umfasste die heutigen Gebiete von Kaschmir
und Nuristan in Ostafghanistan. Takshashila lag an der Handelsstraße,
die Baktrien mit Indien verband, und wurde deshalb zum größten
Handelszentrum. Zur Zeit des Buddha herrschte in Takshashila
König Pushkarasarin, der mit König Bimbisara von Magadha befreundet
war und der Legende nach durch ihn zum Buddhismus bekehrt wurde.
Daraufhin soll er der Welt entsagt haben und zum Buddha nach
Magadha gewandert sein, um sich von ihm belehren zu lassen.
Takshashila beherbergte die erste Universität Indiens. Die Studenten
kamen von weither, aus Magadha, Kurukshetra und anderen Teilen
Indiens, um neben den drei Veden (Rigveda, Samaveda, Yajurveda)
und den achtzehn traditionellen Wissenschaften Medizin, Ritualwissenschaften
und Magie zu studieren. Die Studiengebühren waren sehr hoch.
Schon unter dem Achämenidenherrscher KyrosII. scheinen Teile
von Gandhara im 6.Jahrhundert v.Chr. als Satrapie in das Perserreich
eingegliedert worden zu sein. Der erste Versuch des Kyros, Indien
zu erobern, scheiterte aber zunächst an den schlechten Straßenverhältnissen.
Er soll mit nur sieben Soldaten von diesem Eroberungszug zurückgekehrt
sein, wie der um die Zeitenwende lebende griechische Schriftsteller
Strabon in seiner »Geographie« (15,1,5; 2,5) schreibt und der
griechische Schriftsteller Arrian in seinem »Alexanderzug« (6,24,23)
mehr als hundert Jahre nach Strabon berichtet. Nach der im 1.Jahrhundert
n.Chr. entstandenen »Naturgeschichte« (6,92) des römischen Schriftstellers
Plinius des Älteren eroberte und zerstörte Kyros immerhin Kapisha
mit seiner Hauptstadt Kapishi (Begram bei Kabul in Afghanistan)
und wurde somit Herr des südlichen Hindukusch. Auch Gandhara
scheint er danach eingenommen zu haben, da in einer Inschrift
aus dem Jahre 519 der Name Gandharas als 19. der 23Satrapien
des Achämenidenherrschers DareiosI. erscheint. 515 eroberte
Dareios außerdem die Provinz von Sind am unteren Indus, die
nach den »Historien« (3,94) des im 5.Jahrhundert v.Chr. lebenden
Geschichtsschreibers Herodot die 20.Satrapie wurde. Die Ausdehnung
dieser Satrapie ist nicht ganz sicher, sie umfasste aber wohl
auch weite Teile des Pandschab. Nach inschriftlichen Berichten
und Herodot waren die Tribute, die die indischen Satrapien leisten
mussten, höher als die aller anderen. Unter den Soldaten, die
der Achämenidenherrscher XerxesI. 480 in die Schlacht bei den
Thermopylen und 479 in die Schlacht von Plataiai gegen die Griechen
führte, werden auch Inder aus Sind erwähnt, die von Herodot
(7,65f.) als mit Baumwollgewändern bekleidet und mit eisenspitzenbewehrten
Bambusbogen und -pfeilen bewaffnet beschrieben werden. Gegen
Ende des 5.Jahrhunderts v.Chr. veröffentlichte Ktesias von Knidos,
der Leibarzt von König DareiosII. und ArtaxerxesII. Mnemon,
eine Beschreibung Indiens und Persiens, die zeigt, dass Indien
zu jener Zeit im Mittelmeerraum noch weitgehend unbekannt war,
da Ktesias die fabelhaften Erzählungen über und aus Indien vollkommen
unkritisch übernahm. Unter den letzten Achämeniden gewannen
die indischen Satrapien ihre Unabhängigkeit praktisch zurück,
auch wenn sie nach wie vor dem Anspruch nach zum persischen
Reich gehörten.
Im Jahr 326 überschritt Alexander der Große den Indus, den Grenzfluss
des persischen Reiches, um den Pandschab zu unterwerfen und
die Grenzen der damals bekannten Welt, den Ozean, in den der
Indus mündet, zu erreichen. Takshashila war die erste indische
Stadt, in die Alexander kam. Dort wurde er von dem örtlichen
Herrscher mit reichen Geschenken empfangen, die aus 3000 gemästeten
Rindern und 10000 Schafen bestanden. Dies zeigt, dass die Viehzucht
wie in vedischer Zeit immer noch eine große Rolle spielte. Der
siegreiche Feldzug des Alexander soll an anderer Stelle beschrieben
werden. In der indischen Überlieferung werden die Eroberungen
Alexanders und die Berührung mit der fremden Macht nirgends
erwähnt. Nach der Überlieferung der hellenistischen Zeit begann
mit dem Feldzug des Alexander der Austausch religiös-philosophischen
Gedankenguts zwischen Griechenland und Indien. Im Gefolge Alexanders
mitreisende Philosophen sollen mit indischen »Brahmanen« und
»nackten Weisen« (Gymnosophisten, vgl. dazu Diogenes Laertios:
Über Leben, Ansichten und Aussprüche der berühmten Philosophen
9,61) zusammengetroffen sein. Die Schmerzüberwindung, das Ertragen
auch der härtesten Kälte und die Todesbereitschaft der Gymnosophisten
wurden besonders gerühmt (Cicero: Tusculanische Gespräche 5,77).
Einen endgültigen Wandel in der Kenntnis über Indien brachte
die Indienbeschreibung des eingangs erwähnten Megasthenes.
Die
Kastenordnung prägt sich aus
Schon seit der spätvedischen Zeit hatte, wie oben beschrieben,
eine Gegenbewegung gegen den im Ritualismus erstarrten Brahmanismus
eingesetzt. Dies wurde die Voraussetzung für die Entwicklung
der drei großen Religionen Indiens, des Buddhismus, Jinismus
und Hinduismus, um die Mitte des 1.Jahrtausends v.Chr. Die oben
dargestellte Kastenordnung spielte zur Zeit des Buddha, zumindest
in den östlichen Ländern, in denen er lehrend herumwanderte,
eine wichtige Rolle im sozialen Leben. Obwohl der Buddha an
vielen Stellen in seinen Lehrreden die Auffassung von der Nichtigkeit
der Stände vertritt, bestanden die vier Stände nach wie vor,
und die Gliederung der Gesellschaft in Indien hat sich durch
das Auftreten des Buddha nicht geändert. Nach den Lehren des
Buddha sind die vier Stände der Brahmanen, Kshatriya, Vaishya
und Shudra alle gleich. Neben dem schon in vedischer Zeit gebräuchlichen
Begriff Varna (»Farbe«) scheint der auch heute noch gebrauchte
Begriff für Kaste, Jati (»Geburt«), sehr geläufig gewesen zu
sein. Zu jener Zeit scheinen auch tatsächlich schon weitere
Kastenunterteilungen existiert zu haben. So werden zum Beispiel
als Angehörige der niedrigsten Kaste die Mischkasten der Candala,
Pulkasa und Naishada (»Jäger«) sowie Rohrarbeiter und Wagenbauer
genannt. Die ersten drei Namen sind wohl Stammesnamen ursprünglich
nicht arischer Volksstämme.
Besonderheiten der brahmanischen Kastentheorie finden wir auch
im buddhistischen Kanon wieder. Neben der aus der vedischen
Zeit überlieferten Beschränkung einer jeden Kaste auf einen
ganz bestimmten Beruf gibt es nun jedoch genaue Vorschriften
bezüglich Ehe, Nahrung und Berührung der Kasten untereinander.
So ist es einem Brahmanen verboten, Nahrung von einem Menschen
niedriger Kaste anzunehmen. Als besonders unrein gelten die
Shudra und unter ihnen wiederum die Candala. Die Berührung eines
Candala, ja sogar der Windhauch, der einen Candala gestreift
hat, sind unrein. Eine speziell die Tischgemeinschaft (Kommensalität)
betreffende Regel, nach der das gemeinsame Mahl mit einem niedrig
Stehenden verboten war, scheint es noch nicht gegeben zu haben,
aber Vorschriften, die den Genuss der von Unreinen berührten
oder übrig gelassenen Speisen untersagten. Das Essen der von
einem Candala übrig gelassenen Speise hat für den Brahmanen
die Ausstoßung aus der Kaste zur Folge. Es erscheint demnach
als selbstverständlich, dass eine Vermischung mit den als unrein
geltenden Kasten zu verhindern gesucht wurde. Dies bedeutet,
dass die Kasten zur Zeit des Buddha im Allgemeinen wohl endogam
waren, also die Heirat innerhalb der eigenen Kaste als Regel
galt. Es scheint aber noch kein zwingendes Gesetz dazu bestanden
zu haben, da Uddalaka, der Sohn eines Brahmanen mit einer Hetäre,
als Brahmane anerkannt wurde.
Die
Schranken der Kastenordnung waren zur Zeit der Entstehung des
buddhistischen Kanons im 4. Jahrhundert v.Chr. zwar noch nicht
unüberschreitbar, aber alle das Kastensystem charakterisierenden
Merkmale, die auch das moderne Kastensystem prägen, waren schon
vorhanden: die Erblichkeit der Kaste, die Endogamie, die Kommensalität
sowie die Ausstoßung bei Verstoß gegen die Kastenordnung.
Mit der Entwicklung der oligarchisch regierten Stammesstaaten
war der Stand der Kshatriya zur einflussreichsten Kaste geworden.
Zu ihr gehörten die Angehörigen der herrschenden Klasse, der
König mit seinen Verwandten, die regierenden Fürstenfamilien
der an den Grenzen der Königreiche gelegenen Kleinstaaten und
der adlige Teil des Heeres. In Kriegszeiten fiel den Kshatriya
der Hauptanteil an der Kriegführung zu. Der König, der die politische
Macht und den Staat verkörperte, stand über den Vorschriften
der Kaste. Bei Aufzählung der Kasten stehen in den buddhistischen
Texten die Kshatriya stets an erster Stelle. Dies spiegelt wohl
die in den östlichen Ländern herrschende Anschauung sowie die
tatsächlichen politischen Machtverhältnisse dieser Zeit wider.
Im »Dighanikaya«, einer Sammlung buddhistischer Lehrreden in
Pali-Sprache, werden dem Buddha folgende Worte in den Mund gelegt:
»Bei den Leuten, die auf gute Abstammung Wert legen, gilt der
Kshatriya als der Beste« (1,99). Aber nicht nur aufgrund ihrer
Machtposition waren die Kshatriya zur führenden Kaste geworden,
sondern auch auf geistigem Gebiet scheinen sie den Brahmanen
zum Teil die Führerschaft streitig gemacht zu haben. So treten
in den Upanishaden die Könige zuweilen als Lehrer der Brahmanen
auf. Außerdem scheinen die Fürstensöhne wie die jungen Brahmanen
eine bestimmte Zeit ihres Lebens dem Studium religiöser Schriften,
das heißt der Veden, gewidmet zu haben. Die Stadt Takshashila
im Nordwesten Indiens hatte damals eine berühmte Hochschule
und galt als Sitz großer Gelehrsamkeit. Doch die Brahmanen beanspruchten
nach wie vor für sich den höchsten Rang unter den Kasten. Neben
seiner Aufgabe als Lehrer in den drei Veden und allen Wissenszweigen
war der Brahmane die einzige Person, die Opferhandlungen vollziehen
oder auch religiöse Zeremonien privater Art, wie bei Hochzeiten,
Einweihungen von Häusern oder Geräten, durchführen konnte. Außerdem
gehörte das Vorhersagen der Zukunft, wie zum Beispiel des künftigen
Schicksals eines neugeborenen Königskindes, Traumdeutung und
das Bestimmen des richtigen Zeitpunkts etwa für den Antritt
einer Reise, den Beginn eines Baus, ja sogar eines Krieges,
zu den Aufgaben der Brahmanen.
Die dritte Kaste, die der Vaishya, zu deren Pflichten Viehzucht,
Ackerbau, Handel, Geldverleih, Spenden von Gaben, Opfer und
Studium gehörten, wird im buddhistischen Kanon überwiegend in
theoretischen Erörterungen über die Kasten genannt. Der Begriff,
der dort für einen durch vornehme Geburt und Reichtum ausgezeichneten
Grundbesitzer und Handelsherrn gewählt wird, ist Grihapati (»Hausherr«,
»Haupt eines Hausstandes«). Mit diesem Wort scheint zu Buddhas
Zeiten der dritte, den Vaishya des brahmanischen Systems entsprechende
Stand bezeichnet worden zu sein. Der hauptsächlichste und vornehmste
Repräsentant dieses Standes ist der Shreshthin (»Gildemeister«),
der mit einer besonderen Ehrenstellung unter seinen Berufsgenossen
betraute Kaufmann, der zugleich in naher Verbindung zum königlichen
Hofe stand. Das Amt des Shreshthin war erblich. Wie die Kaufleute
waren auch die Handwerker in Gilden organisiert, und der Handwerksberuf
war erblich. Einzelne Handwerkszweige wurden außerhalb größerer
Städte in Dörfern ausgeübt, in denen nur Leute desselben Berufs
wohnten. Zum Beispiel gab es bei Varanasi ein Tischlerdorf,
wo über 500 Zimmerleute wohnten. An der Spitze jeder Handwerkerinnung
stand der Älteste. Die Innungen der Handwerker gehörten zum
Teil zu den verachteten Kasten, was wohl auch zu der räumlichen
Absonderung von der übrigen Bevölkerung geführt hat.
Der
König: Das Haupt der Menschen
Die Stellung des Königs in den buddhistischen Erzählungen gleicht
im Großen und Ganzen der zur Zeit der Veden. Die besonderen
Pflichten eines Königs bestehen vor allem im Schutz der Untertanen
gegen äußere und innere Feinde und in der Gewährung von Sicherheit
der Person und des Eigentums durch angemessene Bestrafung von
Verbrechen. Der König ist demnach auch die oberste Instanz der
Gerichtsbarkeit. Als Gegenleistung muss das Volk durch Bezahlung
von Steuern für die Kosten der Staatsverwaltung, des Heeres
und des Hofhaushalts aufkommen. Über die genaue Höhe der Steuern
und Abgaben erfahren wir in den buddhistischen Texten nichts.
Sie bestanden wohl vor allem aus einem bestimmten Anteil des
Ernteertrages und vielleicht noch aus einer Art Pacht. Kshatriya
und Brahmanen scheinen von Abgaben ganz befreit gewesen zu sein.
Wenn ein Bürger starb, ohne einen Erben zu hinterlassen, fiel
sein Besitz an den König. Der dem buddhistischen Ideal entsprechende
Herrscher sucht die moralischen Vorschriften zu erfüllen, die
auch für Laien gelten, wie Almosenspende, rechter Lebenswandel,
Milde, Geduld, Nichtzufügen von Leid. Der im 3. Jahrhundert
v.Chr. herrschende König Ashoka kam diesem Idealbild in seiner
späteren Regierungszeit sehr nahe. In anderen Fällen wird der
König häufig als unumschränkter, nur von Willkür und Launen
geleiteter Tyrann dargestellt, der »seine Untertanen durch Strafen,
Steuern, Foltern und Ausbeutung quält und auspresst«, so überliefert
eine altbuddhistische Erzählung (Jataka 2,240).
In vedischer Zeit ging das Königtum entweder direkt auf den
ältesten Sohn des Königs über, was die Regel war, oder der neue
König wurde durch Wahl vom Volk bestimmt. Nach den buddhistischen
Quellen ist die Königswürde erblich. Der älteste Sohn des Königs
erbt das Amt, während der zweite Sohn zum Vizekönig wird. Nur
die Söhne der Hauptgattin wurden als legitim angesehen. Wenn
kein männlicher Nachkomme, Schwiegersohn oder anderer Verwandter
da war, scheint der Nachfolger von den Ministern gewählt worden
zu sein. Auch in hohen Ämtern saßen Verwandte des Königs, wodurch
die Staatsform auch in den Monarchien wie in den Republiken
mehr den Charakter einer Oligarchie annahm.
Unter den königlichen Beamten sind zunächst die Minister zu
nennen. Sie berieten den König in weltlichen und geistlichen
Dingen. Der Heerführer wirkte neben seinen militärischen Aufgaben
in Friedenszeiten wohl auch an der Gesetzgebung mit. Daneben
gab es auch einen Justizminister, der wohl nicht nur richterliche
Entscheidungen fällte, sondern auch in Rechts- und Gewissensfragen
Auskunft erteilte. Ein für den König sehr wichtiger Beamter
war der Landvermesser, der die Ländereien der steuerzahlenden
Untertanen vermaß. Danach wurde der Steuer- und Abgabensatz
festgelegt. Eine besondere Stellung am Hofe nahm der Hauspriester
(Purohita) des Königs ein. Er war für die richtige Ausführung
der Opferhandlungen zuständig, und das Schicksal des Königs
lag insofern in seiner Hand, als er die Gunst oder Ungunst der
Götter erwirken konnte. Außerdem fungierte der Purohita in den
Jugendjahren des Königs als dessen Lehrer. Daneben scheint er
bei Hofe noch manche andere, mehr weltliche Funktionen ausgeübt
zu haben. Er wirkte bei der Rechtsprechung, der Verwaltung des
königlichen Schatzes und anderen Staatsgeschäften mit.
Eine Besonderheit der Zeit um die Mitte des 1.Jahrtausends v.Chr.
war, dass Angehörige aller Stände der Welt entsagten und als
Einsiedler, außerhalb der menschlichen Gemeinschaft und somit
auch der Kastenordnung, im Walde lebten. Der König, der seinen
Thron aufgibt und Asket wird, war keine Einzelerscheinung. In
den Epen Mahabharata und Ramayana treffen wir immer wieder auf
die alte Sitte, nach der Könige im Alter zugunsten ihrer herangewachsenen
Söhne abdankten und bis zum Tode ein Leben als Einsiedler in
der Waldeinsamkeit führten. Den Anstoß zu diesem Entschluss
gab nach der Schilderung der Texte meistens der Gedanke an die
Vergänglichkeit der irdischen Güter und an die Nichtigkeit des
menschlichen Daseins.
So war die Zulassung aller, gleichgültig welcher Kaste sie angehörten,
zur buddhistischen Gemeinde im Grunde eine Weiterführung schon
bestehender Verhältnisse. Der Buddha wich allerdings von den
orthodoxen Brahmanen insofern ab, als er das Kastenwesen nicht
als göttlich, sondern als eine menschliche Einrichtung ansah
und die Vorrangstellung der Brahmanen ablehnte.
Dr.
Siglinde Dietz, Göttingen
